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Interview mit Andreas Eschbach zu Band 3297 „Unter dem HImmel von Gatas“

Andreas, mit »Unter dem Himmel von Gatas« ist der achte Band von dir für die RHODAN-Erstauflage, darunter ein Jubiläumsband und ein Abschlussband. Der nächste Band müsste eigentlich der 3350iger werden, oder?

Mir sind krumme Nummern irgendwo mitten im Geschehen ehrlich gesagt lieber.

Deine Werke finden sich immer in den Spiegel-Bestsellerlisten wieder – was motiviert dich, noch zusätzlich ab und an für RHODAN zu schreiben?

Erstens macht es mir einfach Spaß – ich muss mir keine Handlung ausdenken, die Figuren sind meistens alle schon da, es spielt in einer überbordend ausgefeilten Welt, in der mich fast besser auskenne als in unserer … und alles, was ich zu tun brauche, ist, zu schreiben.
Und zweitens ist es einfach toll, eine Episode zur größten Geschichte des bekannten Universums beitragen zu dürfen.

Hast du mit Ben bereits wegen eines Gastromans im PHOENIX-Zyklus gesprochen?

Nein. Das eilt aber auch nicht. Lassen wir ihn erst mal machen. Seine bisherigen Romane haben mir alle gut gefallen, ich traue ihm eine Menge zu.

(Anmerkung: Am PERRY RHODAN Online Abend wurde Andreas für Band 3345 offiziell von Ben Calvi Hary eingeplant.

Schaffst du es, in jedem Zyklus zumindest einen Band zu schreiben?

Ein kurzer Rückblick zeigt: Nein.

Bist du wie die anderen Autoren im Zeitrad gefangen oder hast du mehr Vorlauf?

Man verspricht mir manchmal mehr Vorlauf, aber meistens klappt das dann doch nicht.

Kriegst du eigentlich alle Expos? Und falls ja: liest du sie oder doch lieber die Hefte?

Nein, ich kriege nur das Exposé für meinen Roman; manchmal noch ein, zwei von Romanen davor, auf die ich Bezug nehmen muss. Bei PR 3297 hatte ich nur das eine Exposé, was aber okay war, weil ich ja nicht wissen musste, was davor oder danach passiert.

In 3297 nimmst du dich Themen an, die auch in der Gegenwart präsent sind: Migration, Heimat und Staatszugehörigkeit. Im ganzen Band geht es um die Frage, welche Staatszugehörigkeit ein Mensch hat, der seit der Geburt auf Gatas lebt.

Das war die auslösende Idee dafür, dass es den Roman überhaupt gibt: Schon seit kleinen Ewigkeiten wird erzählt, dass Jülziish auf der Erde leben und Bürger der Liga sind – und ich wollte eben mal erzählen, wie der umgekehrte Fall aussieht.

Im ersten Moment haben mich die Unruhen und die Anfeindungen in 3297 an England im Sommer 2024 erinnert. Hat dich das zu dem Thema inspiriert oder gar beeinflusst?

Nein, dieser Aspekt der Handlung war vom Exposé vorgegeben. Übrigens sind derartige Unruhen ja nun auf Erden nichts Seltenes.

Es wird ja immer wieder spekuliert, welche Ideen im Roman vom Autor und welche vom Expokraten stammen. Kannst du uns ausnahmsweise bei deinem Roman darüber er aufklären? Was war die Vorgabe? Und was stammt von dir?

Es hat ja alles damit begonnen, dass ich an einem Perry-Online-Abend gefragt wurde, worüber ich gerne mal einen Roman schreiben würde, und ich habe gesagt, über einen Menschen, der auf Gatas geboren ist und sich dort heimisch fühlt. Später habe ich nochmal mit Hartmut telefoniert, der meinte, so ein Roman böte sich womöglich an. Ich habe ihm gesagt, wie ich mir die Vorgeschichte vorstelle – dass mal terranische Ärzte auf Gatas während einer Epidemie ausgeholfen haben, und dass danach ein paar Leute geblieben sind. Alles andere – die Namen, die Lebensumstände, die politischen Umstände, die Action – kam dann mit dem Exposé.

Um die Analogie zum Band zu schaffen … du lebst als Deutscher in Frankreich … würdest du Frankreich gegen Deutsche verteidigen?

Wenn wir mal davon absehen, dass es in meinem Alter um meine Fähigkeit, irgendwen gegen irgendwas zu verteidigen, nicht mehr sonderlich gut bestellt ist, müsste deine Frage genau genommen lauten: Wenn Frankreich von einem wieder totalitär gewordenen Deutschland überfallen würde, würdest du es verteidigen? Worauf meine Antwort wäre: Ja, klar.
Realistischerweise müsste ich aber, da ich kein Franzose bin, sondern immer noch Deutscher, in so einem Fall eher damit rechnen, interniert zu werden.

Du fügst ganz viele Informationen zum Leben der Jülziish hinzu und hinterfragst auch so manche Dinge, die seit sechzig Jahren beschrieben werden, zum Beispiel das Zehnersystem der Jülziish, obwohl sie sieben Finger haben. Sind das alles neue Gedanken oder schleppst du diese Fragen seit Jahrzehnten mit dir mit?

Teils, teils. Das mit dem Zehnersystem steht explizit so in der Perrypedia, das konnte ich unmöglich nicht aufgreifen. Aus solchen seltsamen Unstimmigkeiten lassen sich ja bisweilen ganz neue Geschichten entwickeln, z.B. eben, warum das so ist. Wer weiß, was für eine Story sich dahinter verbirgt?

Wie hast du die Namen der Jülziish generiert?

Was Namen anbelangt, habe ich ein spezielles Hirnareal, das die mir auf Anfrage produziert. War schon bei den »Haarteppichknüpfern« so. Keine Ahnung, wie das funktioniert.

Auch bei den Jülziish gibt es für Männer eine Wehrpflicht und Frauen können frei wählen. Das klingt mir jetzt doch sehr nach einem menschlichen Klischee …

Nun, wir wissen aus der Serie, dass die Jülziish mindestens genauso kriegerisch sind wie wir Menschen, also wird das Militär auch eine dominierende Rolle in ihrem Leben spielen. Dass man Frauen zu militärischen Dingen nicht im gleichen Maße heranzieht wie Männer, ergibt sich aus der Logik der Fortpflanzung; in einer freiheitlichen Gesellschaft haben sie aber selbstverständlich die Freiheit dazu.
Alles in allem sind die Jülziish nämlich ziemlich menschenähnlich, abgesehen von ihrem leicht abweichenden Körperbau. Ich hege übrigens den Verdacht, dass bei ihrem literarischen Schöpfer das damalige Bild der Chinesen vor dem kreativen Auge gestanden hat: Sie besiedeln den Osten, und das in überbordender Zahl … wenn man dann noch an die konischen Hüte der Reisbauern denkt, kann einem schon so etwas wie die Tellerköpfe einfallen.

Mit Band 3199 endet die Expokratur von Wim Vandemaan und Christian Montillon. Welche Highlights gab es für dich seit Band 2700?

Oh, eine Menge! Der Start in den Atopen-Zyklus war grandios, wie es da Schlag auf Schlag ging. Die Jenzeitigen Lande sind für mich einer der Höhepunkte der ganzen Serie: Allein schon der Moment, in dem Atlan am See der Fauten steht und seinen Zellaktivator vernichtet, war aller Mühen wert. Die Idee, die Bedrohung durch den Weltenbrand erst scheinbar zu vergessen – und ihn dann später doch ausbrechen zu lassen, und dazu noch auf diese fiese Weise: großartig. Dass der Chaoporter FENERIK ein ungeborenes Universum in sich trägt: atemberaubend.

Welche Idee sollte es in den nächsten Zyklus schaffen?

Ache, wir wissen doch, dass in der Perry Rhodan-Serie keine Idee jemals endgültig vergessen wird. Es sind immer die besten Momente, wenn plötzlich irgendwas aus ferner Vergangenheit wieder auftaucht und eine ganz überraschende Rolle spielt …

Am PR-Online Abend hat Hartmut immer wieder davon erzählt, dass er sich mit dir in Bezug auf RHODAN austauscht. Gibt es eine Idee, die von dir stammt?

Ich habe ihm mal einen Weblink geschickt zu einem Artikel, in dem es darum ging, dass Wissenschaftler errechnet hatten, dass ein Planet nicht unbedingt kugelförmig sein müsse, sondern auch die Gestalt eines Donuts haben könnte, also die Form eines Reifens mit einem Loch in der Mitte.
Und wie der Zufall so spielt, kurz darauf ist so ein Planet auch im Perryversum entdeckt worden …

Mit Band 3300 übernimmt Ben Calvin Hary das Ruder bei der RHODAN-Handlung. Welche Wünsche hast du in Bezug auf die Handlung an ihn?

Ich möchte weiterhin überrascht werden. Und immer wieder mal den Atem anhalten müssen und denken: Wow!

Hast du mit Ben schon telefoniert? Bist du grundsätzlich zu einem Gedankenaustausch auch mit Ben bereit?

Das wird sich alles finden. Ich bin sicher, Ben weiß, wie er mich erreichen kann, wenn er will.

Apropos, wie findest du Band 3300?
Ich komme ehrlich gesagt noch nicht drüber weg, dass ein Raumschiff unbekannten Ursprungs fünfzig Jahre auf dem Raumhafen von Terrania herumstehen kann und die Sicherheitskräfte zu höflich sind, um mal nachzuschauen, wer und was sich darin befindet. Ich hoffe sehr, dass nach diesem Vorfall im TLD ein paar hochrangige Köpfe rollen!
Bemerkenswert finde ich den Trend zu kleinen Fernraumschiffen, weg von den »fliegenden Großstädten«. Die RA war ein bisschen extrem, aber der PHOENIX hat grade die richtige Größe. Lässt mich ein bisschen an die »Firefly« denken, um mal einen Vergleich zu einer Film-Serie zu ziehen. Die sich abzeichnende Crew wird ja ähnlich bunt sein; daraus kann man viel machen.

Wir wissen ja alle, dass Perry Bully niemals opfert … wie denkst du, hält Ben da 50 Hefte lang die Spannung?

Die eigentliche Frage ist ja, »was ist da wirklich los?«, denn diese schrille Shrell ist ja alles andere als eine vertrauenswürdige Zeugin. Es ist klar, dass da was ganz anderes dahinter stecken wird, und man darf gespannt sein, was.
Interessant finde ich auch, dass Sichu Dorksteiger nun doch älter wird. Da zeichnet sich auch eine Änderung in irgendeiner Form ab. Ich hoffe nur, dass es nicht einfach nur auf eine Trennung hinausläuft oder darauf, dass sie sich irgendwann opfert.

Ben ist nicht nur als Autor umtriebig, sondern hat für den neuen Zyklus viele Animationen erstellt. Ist das der Weg, um neue Leser anzulocken?

Es ist auf jeden Fall ein Weg, um über die Serie zu informieren.

Es gibt deutschsprachige Selfpublisher im SF-Bereich, die erreichen pro Buch 300.000 Leser – und das, obwohl (oder eher gerade weil) sie das Marketing selbst übernehmen. Es sollte also nicht so schwer sein, neue Leser für RHODAN zu gewinnen. Wie müsste man das deiner Meinung nach angehen?

Ich glaube nicht, dass man das vergleichen kann. Ein Selfpublisher hat das Problem, die Welt davon in Kenntnis zu setzen, dass es ihn gibt und was er macht – das Problem hat Perry Rhodan nicht. Fast jeder, der sich ansatzweise für SF interessiert, hat schon von der Serie gehört. Aber was? Wahrscheinlich das: Perry Rhodan gibt es seit über 60 Jahren, es gibt über 3000 Bände, es ist die umfangreichste Saga aller Zeiten – da denkt man spontan erst mal: Hat gar keinen Zweck, damit anzufangen, da komm ich doch im Leben nicht mehr rein!
Das heißt im Umkehrschluss, die Botschaft, auf die man sich konzentrieren müsste, muss lauten: Yes, you can! Der Einstieg in die Serie ist möglich!

Machen wir einen Zeitsprung ins Jahr 2034 … gibt es dann RHODAN noch?

Wenn ich mir anschaue, was gerade an hirnrissigen Dingen in der Welt vor sich gehen, ist die Frage vielleicht eher, ob es UNS dann noch gibt …

Danke für deine Zeit und den grandiosen Band 3297!

Zum Interview zu seinem Bestseller „Die Abschaffung des Todes“ geht es hier:

Zu den Video-Häppchen vom PERRY RHODAN Online Abend geht es hier:

Infos zum Band 3297

Interview mit Andreas Eschbach zu „Die Abschaffung des Todes“

Roman Schleifer plauderte mit Andreas Eschbach über sein im Oktober 2024 erschienenes Buch „Die Abschaffung des Todes“. Unter anderem erzählt Andreas Eschbach wie oft er durch das Buch an den Tod denkt und ob er eine Idee für die Fortsetzung seines Bestsellers „Eine Billion Dollar“ hätte.

Andreas, Thema deines im September 2024 erschienenen Buchs „Die Abschaffung des Todes“ ist die Unsterblichkeit. Der Leser begleitet den Journalisten James Windover, der die Machbarkeit eines Silicon-Valley-Projekts für eine steinreiche Auftraggeberin überprüfen soll: Kann das Gehirn technisch so ersetzt werden, dass das Bewusstsein erhalten bleibt? Sofern jemand noch kein Buch von dir gelesen hat, wieso soll er ausgerechnet mit diesem Buch beginnen?

Der Grund, aus dem man ein Buch liest, sollte der sein, dass es einen interessiert. Von welchem Autor es ist und ob es das erste oder das zwanzigste Buch ist, das man von ihm liest – piepegal.

Dieses Buch könnte man zum Beispiel lesen wollen, wenn einen die Frage interessiert, was der Tod eigentlich ist und ob man ihm mittels moderner Technik womöglich ein Schnippchen schlagen könnte. Oder wenn einen die Frage beschäftigt, ob man das tun sollte, wenn man es denn könnte.

In der ersten Hälfte zerstreust du die Bedenken von James Windover, hinsichtlich des Projekts und machst ihn zum glühenden Anhänger der Idee. Er denkt sogar darüber nach, wie er selbst die Unsterblichkeit auf diese Weise erlangen kann, obwohl ihm das Geld fehlt. In der zweiten Hälfte bekommt die Zustimmung Risse, denn es tauchen erste Zweifel auf – ausgerechnet durch ein SF-Drehbuch und eine Kurzgeschichte. Die Rechte an beiden Geschichten wurden vom Milliardär und einer der Betreiber des Silicon-Valley-Projects, Peter Young, aufgekauft, um Kritik an der Idee gar nicht erst aufkommen zu lassen. Damit zeigst du sehr schön, dass man mit Geld auf diesem Planeten alles kaufen kann. Dazu passt auch ein Satz von James Windovers Vater einem Gewerkschaftler. »Du arbeitest für die Reichen, aber letzten Endes bist du nur ein Knecht.« Wie siehst du diese Entwicklung, auch angesichts der immer größer werdenden Schere zwischen arm und reich?

Ich bin mir, was die Größe dieser Schere anbelangt, gar nicht so sicher, wenn ich daran denke, dass es Anfang des 20. Jahrhunderts noch völlig üblich war, dass jeder gutbürgerliche Haushalt zahlreiche Dienstboten beschäftigte, was ökonomisch ja nur dann funktioniert, wenn die Einkommensunterschiede wirklich erheblich sind. Aber wie auch immer, in den letzten Jahrzehnten geht die Schere in der Tat wieder auf, die Reichen werden in den Krisen immer reicher, alle anderen immer ärmer, und das ist natürlich fraglos keine gute Entwicklung. Wenn Menschen das Gefühl kriegen, keine Chancen im Leben zu haben, muss man sich nicht wundern, wenn viele davon sich von politischen Extremen angezogen fühlen, weil sie sich sagen, »was hab ich schon zu verlieren?«

Dazu passt auch, dass im Buch die Frage von den Start-Up-Unternehmern gestellt wird, ob die mögliche Unsterblichkeit allen oder nur einem elitären Kreis zugänglich gemacht werden soll. Wie ist dazu deine Meinung?

Das wäre allein schon eine abendfüllende Diskussion. Ohne Zweifel wäre die Entdeckung eines Medikaments oder einer Behandlung, die das menschliche Leben drastisch verlängert, etwas, das die Welt, wie wir sie kennen, grundlegender verändern würde als jede andere Erfindung zuvor.

In der PERRY RHODAN-Serie hat man sich um diese Problematik geschickt herumgemogelt, indem nur einige wenige Personen unsterblich sind: So entsteht das Problem einer explosionsartigen Überbevölkerung erst gar nicht, die die Folge wäre, wenn niemand mehr stürbe. Zudem verdanken diese wenigen Personen ihre Unsterblichkeit einem übermächtigen, gottgleichen Wesen, dessen Ratschlüsse unerforschlich sind: Es sind also Erwählte, die man zwar beneiden kann, mehr aber nicht, und letztlich bleibt einem nur, zu sagen, »ist halt so«.

Politisch am heikelsten muss eigentlich die Anfangszeit gewesen sein, als es in Rhodans Entscheidung lag, wem er Zellduschen gewährte: Das hätte eigentlich für ziemliche gesellschaftliche Unruhe sorgen müssen. Diesen Aspekt blendet die offizielle Geschichtsschreibung aber dezent aus.

Stimmt … diese Chance haben die Autoren damals entweder bewusst ausgelassen oder nicht gesehen. Da fällt mir ein … das wäre doch eine Steilvorlage für deinen nächsten RHODAN-Roman. Wir erfahren, wie Perry Rhodan damals damit umgegangen ist …
Na, wie wär’s?

Wäre eine Idee. Stimmt.

Möchtest du bei den Lesern durch das Buch eine Diskussion über die Rolle des Todes in unserem Leben anstoßen?

Eigentlich möchte ich eher dazu anregen, über das LEBEN nachzudenken. Über das immer noch unerklärliche Wunder, dass wir überhaupt SIND. Über das Rätsel des Bewusstseins.

Welche moralischen und sozialen Herausforderungen siehst du in einer Welt, in der der Tod abgeschafft wurde?

Das hängt natürlich sehr davon ab, ob nur der Tod abgeschafft wird oder auch das Altern. Würde das alles nämlich zu einer Welt voller pflegebedürftiger Unsterblicher führen, wäre »soziale Herausforderung« ein entschieden zu schwaches Wort.

Die eigentlichen Herausforderungen könnten allerdings auch psychologischer Natur sein. Wie motiviert man sich, etwas heute zu tun, das man genauso gut auch erst in hundert oder tausend Jahren tun könnte? Und wenn der Tod durch Unfall oder Gewalt doch nicht ausgeschlossen wäre – würde man dann noch Risiken eingehen, in dem Wissen, dass man ein zeitlich unbegrenztes Leben aufs Spiel setzt?

Und umgekehrt: Wenn es wirklich unmöglich würde, zu sterben – wäre das nicht schrecklich? Dann könnten Folterknechte ihre Opfer für alle Zeiten quälen, und man hätte keine Chance, den Schmerzen je zu entkommen.

James Windover hat zum Thema Tod anfangs die Einstellung des Physiologen und Anthropologen Paolo Mantegazza: »Es reicht, nicht daran zu denken.« Du hast ein ganzes Buch darüber geschrieben … wie oft denkst du daran?

Ich selber folge eher dem Motto »Memento mori«. Sich der Tatsache der eigenen Sterblichkeit bewusst zu bleiben hilft, im Leben die richtigen Prioritäten zu setzen.

Das weiter oben angesprochene SF-Drehbuch ist für einen Milliardär einer der Auslöser, um nach der Unsterblichkeit zu suchen. Sind SF-Autoren die Vorreiter und Ideenlieferanten der Zukunft? Und zählst du dich selbst dazu?

Ich sehe das nicht so. Die meiste SF beschäftigt sich mit ihrer jeweiligen Gegenwart, die sie in eine imaginierte Zukunft verlagert, was manchmal als Verfremdungseffekt im Brecht’schen Sinne wirken kann. Bestenfalls greift sie Tendenzen und Ideen auf und denkt sie in die Zukunft weiter. Aber Vorhersagen? Welcher SF-Autor hat z.B. das Internet vorhergesagt? Niemand. Das tauchte in SF-Romanen erst auf, als es schon existierte. Übrigens war auch Jules Verne am effektvollsten, wenn er Erfindungen vorhergesagt hat, die es schon gab, was nur kaum jemand wusste, weil er die wissenschaftlichen Zeitschriften seiner Zeit gelesen hatte und seine Leser eben nicht.

Angenommen das von dir im Buch beschriebene Verfahren zur Gehirn- und Bewusstseinserhaltung würde funktionieren … wärst du sofort dabei?

Auf keinen Fall. Ich bin kein »Early adopter«. Ich zögere ja schon den Update aufs jeweils neue Apple-Betriebssystem so weit raus, wie es nur geht.

Außerdem: Woher will man wissen, ob es wirklich funktioniert? Beweist es denn irgendwas, wenn ein Computer sagt, »ja, ich habe ein Bewusstsein?«

In »Die Abschaffung des Todes« setzten sich viele Figuren mit der Endlichkeit des Lebens auseinander. Wie gehst du selbst damit um?

Ich bemühe mich, zu lernen, es zu akzeptieren. Unglücksfälle ausgenommen geht es ja nicht Schlag auf Schlag, vielmehr altert man dem Ende langsam und schrittweise entgegen. Irgendwann merkt man, dass man Nächte besser nicht mehr durchmacht … dann merkt man, wie die Augen schlechter werden … dann sagt einem der Arzt, »in Ihrem Alter ist das normal« … und so weiter.

Immerhin hatte ich das Glück, mit 35 noch als »junger Autor« gehandelt zu werden. Wäre ich Fußballer gewesen, hätte ich da schon aufhören müssen. Anstatt erst anzufangen.

Die Figur der Hackerin Vera van Akkeren schreit ja direkt nach einem eigenen Buch. War sie von Haus aus geplant oder ist sie beim Schreiben aufgepoppt?

Weiß ich gar nicht mehr so genau. Ich meine, sie ist beim Entwurf der Handlung aufgeploppt – ein Einfall von der Sorte, bei der man sofort weiß, darauf will man auf keinen Fall verzichten.

Für »Die Abschaffung des Todes« hast du mehr recherchiert als bei deinen anderen Büchern. Welche Erkenntnis hast du daraus gezogen?

Dass es beim Schreiben enorm hilfreich ist, viel zu recherchieren – vor allem auch Dinge, von denen man glaubt, man kennt sie schon und weiß Bescheid.

Bewertest du deine Art zu denken nun neu?

So krass würde ich das nicht sagen. Aber allgemein gesagt bemühe ich mich schon, immer dazuzulernen.

War auch etwas dabei, das nicht ins Buch eingeflossen ist?

Eine Menge. Aber das ist in Ordnung. Ich schreibe ja keine Sachbücher, sondern Romane; da darf etwas Recherchiertes nur hinein, wenn es für die Geschichte eine Rolle spielt – und nicht einfach nur aus dem Grund, dass es da ist.

Du zitierst den Frankfurter Neurophysiologen Prof Wolf Singer. Hast du mit ihm als Recherche gesprochen? Wie hat er auf deine Kontaktaufnahme reagiert?

Nein, so war das nicht. Ich habe ihn vor Jahren mal kennengelernt, auf einem Kongress von Hirnforschern in Basel, zu dem ich als SF-Autor eingeladen war. Wir haben am Rande des Geschehens ein bisschen diskutiert, ich habe danach weiter verfolgt, was er so macht, was er in Interviews sagt usw. – und da war eben irgendwann das dabei, was ich zitiere, indem ich es einer Randfigur in den Mund lege.

In unserem Interview zu deinem Buch »Eines Menschen Flügel« (zu finden hier https://www.proc.org/interview-mit-andreas-eschbach-zu-eines-menschen-fluegel) hast du gesagt, eine Idee muss reif sein, bevor du sie schreibst. Woran hast du gemerkt, dass diese Idee reif genug ist? Und wie lange hast du sie reifen lassen? Und was war ursprünglich der Auslöser für die Idee?

In meiner Studienzeit – im vorigen Jahrtausend – war eine Zeitlang ein Buch mit dem Titel »Gödel, Escher, Bach« schwer angesagt, und da ich mich von Teilen des Titels sozusagen persönlich angesprochen gefühlt habe, habe ich es natürlich auch gelesen. Autor war ein gewisser Douglas Hofstädter, der danach noch ein zweites Buch mit dem Titel »Einsicht ins Ich« herausbrachte, das ich mir auch besorgt habe. Darin hatte er allerhand Geschichten und Aufsätze von anderen Autoren versammelt, die er dann jeweils kommentierte. Eine Geschichte von einem gewissen Arnold Zuboff, in dem es darum ging, was mit einem Gehirn geschieht, wenn man es in mehrere Teile zertrennt, blieb mir besonders im Gedächtnis, weil Hofstädter sie meiner Ansicht nach falsch verstanden hatte, nämlich im Sinne seiner These, dass Bewusstsein, Geist, ein Ich synthetisch herstellbar sei, und das schien sie mir gerade nicht auszudrücken.

Ich habe immer wieder über dieses Gedankenexperiment nachdenken müssen, darüber, was sich tatsächlich daraus schließen lässt, und habe überlegt, wie ich es in einen Roman einbauen könnte, natürlich möglichst so, dass auch eine spannende Geschichte dabei herauskommt und nicht nur eine philosophische Abhandlung. Am Ende war es so, dass erst James Windover auftauchen musste, damit die ganze Sache Fahrt aufnahm – der Mann, der sich so intensiv mit der Frage auseinandersetzt, wie man es vermeiden kann, sich selber in die Tasche zu lügen. Denn darum geht es eigentlich: Wer macht sich hier etwas vor?

Gibt es eine Idee, die zwar reif ist, die du aber zu schreiben verweigerst?

Ja, sogar mehrere. Aus verschiedenen Gründen. Der häufigste ist der, dass ich nicht überzeugt bin, dass daraus ein gutes Buch würde.

Wie wägst du da ab?

Ich frage mich: Wenn ein anderer dieses Buch geschrieben und herausgebracht hätte, würde ich es mir kaufen? Und würde ich, wenn ich es gelesen hätte, sagen, dass es sich gelohnt hat? Auf beide Fragen muss die Antwort »ja« lauten.

Der Start-up Milliardär Peter Young stellt in deinem Buch eine interessante Frage: »Wenn Sie schon alles andere hätten, was man für Geld kaufen kann – könnten Sie der Unsterblichkeit widerstehen?« Ich reiche die Frage an dich weiter: Könntest du?

Kommt sehr darauf an, was die Unsterblichkeit noch kostet außer Geld.

Gab es ein reales Vorbild für den Investor Peter Young?

Das darf sich jeder gern selber überlegen. Gilt übrigens auch für alle übrigen Figuren.

Ein in der echten Welt lebender Milliardär, nämlich Elon Musk, hat einen Mini-Geheimdienst. (https://www.derstandard.at/story/3000000236567/geschuetzt-wie-ein-staatsoberhaupt-elon-musks-eigener-mini-geheimdienst) Inspirieren dich die Lebensgeschichten solcher Menschen zu Figuren?

Nein, eher nicht. Zumal Elon Musk ja quasi Tony Stark ist, der Iron Man, und man weiß nicht mehr so recht, wer eigentlich Vorbild von wem war.

Der Wissenschaftler Ralph Arnesen sagt in deinem Buch, dass mit genügend Anstrengung und Geld jedes Gebiet erforscht werden könnte. Stimmst du dem zu?

Wenn du so fragst, stimmt es zweifellos; es ist ja nicht gesagt, dass die Forschung auch zu irgendwelchen Ergebnissen führt … (lacht)

Umgekehrt kann man natürlich Entdeckungen nicht erzwingen, auch mit viel Geld und Anstrengung nicht. Beides kann nur die Bedingungen dafür verbessern, dass man auf etwas Neues stößt.

Dieser Ralph, der Spitzenwissenschaftler bei der Forschung nach dem Upload des Gehirns, ist ein richtiger Nerd mit entsprechendem Sozialverhalten. Ist das nicht zu viel Klischee?

Was soll ich machen? So ist er halt in meinem Kopf aufgetaucht. Und er hat sich geweigert, weniger klischeehaft zu sein. Lag wahrscheinlich an dem seltsamen Sozialverhalten, das er auch seinem Autor gegenüber an den Tag gelegt hat.

Ja, diese störisches Figuren. Schröcklich *g*
Die Handlung spielt in mehreren Ländern, Frankreich, USA, Holland und Österreich. Ganz besonders gefreut hat mich, dass auch meine Heimatstadt Wien vorkommt. Wieso hast du ausgerechnet die Kapuzinergruft (der unterirdische Friedhof aller Kaiser Österreichs) ausgewählt?

Also, erstens, weil ich schon mal dort war und die morbide Atmosphäre kannte. Und mal ehrlich: Wo anders sollte eine Verfolgungsjagd, bei der es um Sterblichkeit oder Unsterblichkeit geht, kulminieren als in Wien?

Stimmt. Wo auch sonst … 🙂
Apropos:  Wann kommst du mal wieder nach Wien?

Tatsächlich mache ich einen Stop-over in Wien, um dem ORF III Rede und Antwort zu stehen, ehe ich auf die Buchmesse gehe. Aber nur kurz – abends einfliegen, morgens weiter nach Frankfurt. Das Jet-Set-Leben eines Autors halt.

Der Schluss deines Buches ist originell … wie viele Schlussvarianten hattest du? Oder war von Anfang an klar, dass das Buch nur so enden kann, wie es endet?

Nein, dieses Ende stand relativ früh fest. Gespielt habe ich nur mit Varianten, wie ich da hinkomme.

»Die Abschaffung des Todes« ist wie bei dir üblich von den Lesern an die Spitze der Spiegel-Bestsellerliste gehievt worden. Wie ist da im Vorfeld deine Erwartungshaltung, also freust du dich nach all den Jahren noch darüber oder ist das längst zur Gewohnheit geworden?

Ach, man hält schon immer den Atem an. Selbstverständlich ist da gar nichts. Es freut mich immer noch, einem meiner Bücher auf einer solchen Liste zu begegnen.

Wartest du nervös auf die ersten Rezensionen, wie das Buch bei den Lesern ankommst oder hast du mittlerweile ein gutes Gespür für Stories, die bei den Lesern zünden?

Das ist unterschiedlich. Bei diesem Buch war ich tatsächlich gespannt – nicht nervös, aber gespannt –, weil ich mir nicht sicher war, wie viele Leute die Geschichte und die Gedankenspiele darin überhaupt verstehen werden. In der Hinsicht ist es, glaube ich, mein anspruchsvollstes Werk in dem Sinne, dass es Ansprüche an die Intelligenz und Vorstellungskraft seiner Leser stellt.

Wie hat sich deine Arbeitsweise seit deinem ersten Werk »Die Haarteppichknüpfer« verändert?

Genau genommen waren »Die Haarteppichknüpfer« nicht mein erstes Werk, nur mein erstes veröffentlichtes. Mein erstes Werk war ein auf der Schreibmaschine getipptes SF-Abenteuer, das ich mit 12 ohne große Vorbereitung einfach drauflos geschrieben und ohne die mindeste Überarbeitung, dafür aber mit einem selbst gestalteten Cover auf meine Leser losgelassen habe: Das mache ich heute alles nicht mehr.

Wer waren damals deine Leser?
Und … ich nehme an, du rückst das Manuskript nicht raus … aber wie wär es mit dem selbst gestaltetem Cover?

Lieber nicht, sonst verklagen mich die Johnny-Bruck-Erben. Ich hab die Cover nämlich aus von PR-Covern durchgepausten Elementen zusammengestellt.

Und … wieso hat es 24 Jahre gedauert, bis danach dein erstes Werk veröffentlicht wurde?

Weil ich erst versucht habe, einen ordentlichen Beruf zu erlernen. Was dann aber letztlich nicht geklappt hat. So kann’s gehen!

Was mich gewundert hat … in deinem Buch kommt keine KI vor. Wieso das?

Wieso sollte sie? Wir wissen ja nicht, wann das alles gespielt hat – kann ein paar Jahre her sein, und da war KI noch kein Thema.

Ich habe übrigens ChatGPT gefragt, welche zehn Fragen sie dir nach lesen des Buchs stellen würde … zwei davon habe ich eingebaut. Findest du heraus, welche?

Ich schätze mal, diese beiden:
»Möchtest du bei den Lesern durch das Buch eine Diskussion über die Rolle des Todes in unserem Leben anstoßen?«
»Welche moralischen und sozialen Herausforderungen siehst du in einer Welt, in der der Tod abgeschafft wurde?«

Neben all den interessanten und vor allem gut aufbereiteten Informationen über das menschliche Gehirn hat eine der Figuren auch herausgefunden, dass die Neurophysiologen unbemerkt längst die Existenz Gottes bewiesen haben. Wie hältst du es mit Gott?

Ach, weißt Du, Gott und ich haben ein Agreement, wie wir es miteinander halten, und dazu gehört, dass keiner von uns darüber redet.

Nun, immerhin redet er mir dir … kann nicht jeder von sich sagen
😀

Auch der Ablauf des jüngsten Gerichts ist für den Autor Raymond Ferdurci ein paar Überlegungen wert. »Kommen wir im Alter unseres Todes zurück? Oder jünger? Und falls ja, in welchem Alter?« Dieses Thema fehlt noch in deinen Büchern: Hast du je überlegt, ein Buch zu schreiben, in dem der jüngste Tag verhindert werden soll?

Der Gedanke ist mir tatsächlich noch nie gekommen. Wahrscheinlich bin ich dafür nicht bibelfest genug.

Was denkst du? Wie wäre der Ablauf des jüngsten Tages?

Wieso fragst du mich? Da gibt’s doch schon ein Buch, in dem das ausgiebig geschildert wird …

LOL

James Windover denkt, dass 39 Jahre das beste Alter sei, um mit dem Altern aufzuhören. Welch Zufall, erhielt doch ein gewisser Perry Rhodan im Alter von 39 Jahren seine erste Zelldusche und damit die Unsterblichkeit verliehen. War das eine absichtliche Anspielung?

Ja, war es. Ich persönlich fände 33 besser.

Apropos RHODAN: Mit Band 3300 beginnt der erste Zyklus, den der neue Expokrat Ben Calvin Hary verantwortet. Was gibst du ihm auf den Weg mit?

Das Erste Gebot für alle Autoren: »Du sollst nicht langweilen.« Aber das beherzigt er, glaube ich, sowieso schon.

Stehst du wie in der Vergangenheit auch für Gastromane zur Verfügung?

Sagen wir so: Ich bin in dieser Hinsicht weiterhin verführbar.

Die RHODAN-Leser werden ja bekanntlich auch jünger … was müsste man unternehmen, um 16-Jährige für RHODAN zu begeistern (abgesehen von einer Serie oder einem Film)?

Keine Ahnung, dafür kenne ich zu wenige 16-Jährige.

Da fällt mir ein Satz aus dem Buch ein. »Tausend mal verlieben und tausendmal entlieben. Wie schafft das ein Unsterblicher?« Wenn ich da an Atlan denke … beneidest du ihn um diese Erfahrungen?

Na, hallo – wer beneidet Atlan denn nicht?

Im Oktober 2024 bist du in Deutschland auf Lesereise. Sind für 2025 auch bereits Termine geplant?

Nein. Erst mal muss ich mich von dieser Lesereise erholen, ehe ich darüber auch nur nachdenken kann.

In einem Interview auf Amazon sagst du, dass du 300 Jahre alt werden musst, bis du alle Ideen in Buchform gegossen hast. Ich wünsche es dir ja aus tiefsten Herzen, aber … na ja, sofern keiner Peter Young aus deinem Buch nacheifert, wirst du auswählen müssen. Wie wägst du ab, welches Projekt du verwirklichst? Wie wählst du deine Projekte aus?

Das ist, ehrlich gesagt, jedes Mal ein kleines Drama voller »soll ich das schreiben? Oder lieber das andere?« Ich habe da kein Rezept, wie ich das jeweils nächste Thema auswähle, und ich denke, das ist auch ganz gut so.

 

Dein Buch »Eine Billion Dollar« wurde von Paramount als Serie mit sechs Folgen verfilmt und seltsamerweise bald nach Erscheinen abgesetzt und ist nun wieder im Programm aufgetaucht. In einem Beitrag auf deiner Homepage zeigst du dich verwundert darüber. Hast du bei Paramount nachgefragt? Kennst du den Grund, wieso die Serie plötzlich wieder weg war?

Das hatte mit den Filmen selber gar nichts zu tun, das war die Folge von Entscheidungen auf der Management-Ebene, die den Verkauf von Firmenanteilen betraf, Abschreibungen, Steuergeschichten und dergleichen. Details weiß ich nicht, nur, dass es um Geld ging, nicht um die Serie. Was auf bizarre Weise ja schon wieder zum Thema der »Billion« passt.

 Das Ende schreit nach einer zweiten Staffel … kommt da was?

Das relativ offene Ende war Absicht, man wollte sich von vornherein die Möglichkeit einer Fortsetzung offen halten, und ich hätte es auch begrüßt, wenn es weitergegangen wäre. Tatsächlich war ich neugierig, was sie daraus machen würden. Aber realistischerweise wird es keine Fortsetzung geben.

Und hättest du Lust, eine Buch-Fortsetzung zu schreiben?

Darüber denke ich schon seit zwanzig Jahren nach, aber keine der Ideen, die mir dazu eingefallen sind, hat mich überzeugt.

Die letzte Frage drängt sich damit auf: Was sind deine nächsten Projekte?

Wie immer verrate ich zu dem Thema nur, dass es mal wieder WAS GANZ ANDERES wird.

Andreas, danke für deine Zeit.

Zum Interview zu seinem PERRY RHODAN-Gastroman 3297 „Unter dem Himmel von Gatas“ gehts hier:

https://www.proc.org/interview-mit-an…-zu-pr-band-3297

Offizielle Homepage von Andreas Eschbach:
http://www.andreaseschbach.de/

Hie gehts zur offiziellen Seite von „Eines Menschen Flügel“:
https://www.luebbe.de/luebbe-belletristik/buecher/thriller/die-abschaffung-des-todes/id_8559722

 

Interview mit Andreas Eschbach zu „Eines Menschen Flügel“

Roman Schleifer plauderte mit Spiegel-Bestseller Autor Andreas Eschbach über seine akutellen Roman „Eines Menschen Flügel“ und über sein im Oktober erscheinendes Buch „Gliss“. Andres erzählt unter anderem, wie er sich bei einer Idee motiviert, an der er zwanzig Jahre lang schreibt und wie viel Spaß er beim  RHODAN Buch wirklich gehabt hat. Und was sein berührendster RHODAN-Moment war, aber auch, worüber er sich bei RHODAN geärgert hat.

Andreas, »Eines Menschen Flügel« ist mit seinen über 1200 Seiten ein ziemlich dicker Wälzer. Wie lange hast du daran geschrieben?

In gewisser Weise zwanzig Jahre. Natürlich nicht am Stück, aber immer mal wieder. Bis ich mir schließlich gesagt habe, »so, jetzt machst du einen Knopf dran und schreibst es vollends zu Ende.«

Wie motivierst du dich über so einen Zeitraum?

Ich musste mich da nicht groß motivieren, das war eine Idee, die mir einfach keine Ruhe gelassen hat. Wann immer mir die Unterlagen dazu in die Hand gefallen sind – ich hatte ein großes, dickes Notizbuch mit Ringbindung, in dem ich nach und nach alles entwickelt habe –, hat mich die Lust gepackt, daran weiterzubasteln. Und wenn Gelegenheit dafür war, hab ich das auch gemacht.

In einem Interview hat du über »eines Menschen Flügel« gesagt: »Am Anfang war dieser Traum von einem jungen Mann, der unbedingt die Sterne sehen will, und sei es nur ein einziges Mal – und diesem Traum bin ich dann behutsam gefolgt, gespannt darauf, wohin er mich führen würde.«
Folgst du diesem Traum in einem Exposé oder erst beim Schreiben?

Da gibt es keine einheitliche Regel. Manche Geschichten brauchen es, dass man sie erst mal von Anfang bis Ende durchdenkt, andere brauchen es, dass man genau das nicht tut, sondern mit dem Strom geht und sich überraschen lässt. Diese Geschichte war eine aus der letzteren Kategorie.

Das erste Kapitel des Buches (exklusive dem Schluss) ist im Jahr 2000 auf Französisch im Begleitband des UTOPIA-Festivals in Nantes erschienen. Und sie hat dich nie mehr losgelassen. Worin lag für dich die Faszination der Storyidee?

Na, hör mal – Menschen mit Flügeln, die richtig fliegen können? Wem man erst erklären muss, was daran faszinierend ist, der … also, für den ist das Buch wahrscheinlich ohnehin nichts.

In einem Interview hat du gesagt: »Ich weiß nicht, wann eine Story so viel Spaß gemacht hat …« Äh … Sag bloß, der RHODAN hat dir nicht Spaß gemacht …

Doch, doch. Der folgt schon auf Platz 2.

Und nun ernsthaft. Wo lag der Spaß bei der Story?

Der Vergleich mit Perry Rhodan ist vielleicht gar nicht so deplatziert, denn ich glaube, das hat mit der »Fülle« zu tun, mit der eine Welt ausgestattet ist. Bei Perry Rhodan bewegen wir uns in einem literarischen Universum, das im Lauf von sechzig Jahren von Dutzenden von Autoren detailreich ausgestaltet worden ist – und bei »Eines Menschen Flügel« konnte ich mich in einer Welt bewegen, die immerhin über zwanzig Jahre hinweg in meiner Vorstellung herangewachsen ist.

Du schreibst jedes Kapitel aus der Perspektive einer anderen Figur – wie ist es dazu gekommen?

Daran habe ich lange herumüberlegt. Üblich wäre ja gewesen, sich vier, fünf Hauptfiguren auszusuchen und die Geschichte abwechselnd aus deren Perspektiven zu erzählen. Aber irgendwie war mir das zu üblich … und schließlich habe ich beschlossen, es anders zu machen. Weil eigentlich diese Welt die Hauptfigur ist, die Welt der geflügelten Menschen, und ich es mir reizvoller vorstellte, sie aus möglichst vielen Perspektiven zu erleben; durchaus auch mal dasselbe Ereignis aus ganz verschiedenen Sichten.

Das hat am Schluss einen etwas »bremsenden« Effekt, weil es die Action immer wieder durchbricht, um sozusagen den Film zurückzuspulen und sich der Gegenwart neu zu nähern … was aber irgendwie auch wieder passt, weil man die Welt ja gar nicht verlassen will. Also, ich jedenfalls wollte das nicht. Kein Wunder also, dass das Buch ein bisschen dicker als üblich wurde.

Im Kern des Buches geht es darum, dass Oris den Ruf seines Vaters wieder herstellen will. Auf dem Weg dorthin deckt er die Geheimnisse seines Volkes auf. Und im Nachspann – viele Jahre später – schenkst du uns auch noch Ironie.
Das ist eine Mischung, die lang im Gedächtnis bleibt. Ist das die Formel für einen Bestseller? Die Hauptfigur hat ein nachvollziehbares Motiv und der Schluss ist ironisch?

Nein, so einfach ist es nicht. Die Formel für einen Bestseller ist, einen Roman zu schreiben, der seine Leser so begeistert, dass sie anderen in den Ohren liegen, ihn auch zu lesen! Wenn man jetzt noch eine Formel wüsste, wie man einen Roman so schreibt, dass er das auslöst …

Im Nachspann schilderst du die Entwicklung viele Jahre nach dem Ende der Hauptstory. Der eine Teil ist richtig traurig … wie gehts dir bei solchen Schlüssen?

Wäre es ein Film, müsste man einen ganz traurigen Blues als Hintergrundmusik einspielen.

Ich darf aus der Rezension von Frau Blum zitieren:
»Wo ein simpler Satz genügen würde, da liefert Andreas Eschbach Poesie. „Das Meer, das ruhig und sattgrün dalag“, reicht nicht. Er zaubert daraus ein „von einer Farbe wie wogendes Moos, gesprenkelt mit hell schimmernden Fetzen kühlen Dunstes, der den Horizont weiß gegen den Himmel verschwimmen ließ.“«
Schüttelst du das aus dem Ärmel oder brütest du eine halbe Stunde über solchen Beschreibungen?

Nein, wenn man eine halbe Stunde dran basteln muss, wird es nix mehr. Das fällt einem entweder gleich ein, oder eben nicht.

Ein Geheimnis ist ungeklärt – was ist der Margor?

Ganz ungeklärt ist das nicht; am Schluss des Buches gibt es zumindest eine kurze Erklärung. Ob die freilich stimmt, ist eine andere Frage.

Die Ideen der meisten deiner Bücher gehen auf Ideen zurück, die du vor Jahrzehnten hattest. Was ist der Grund, dass du sie so lang reifen lässt?

Na, weil sie vorher eben noch unreif sind! Vielversprechend, aber noch nicht so, dass man losschreiben könnte.

Es ist ja mit »der« Idee nicht getan. Um einen Roman schreiben zu können, braucht man ganz viele Ideen zu der ursprünglichen Idee, Hunderte davon. Und bis die sich alle eingefunden haben, das dauert manchmal eben.

Du hast mal gesagt, dass sich der Plot von selbst ergibt, indem du der Geschichte folgst. Wie muss ich mir das vorstellen? Schließt du die Augen, siehst einen Film und schreibst einfach auf, was passiert?

So ähnlich, nur ohne geschlossene Augen. Kann man schwer erklären; es hat etwas von »sich in zwei Universen gleichzeitig befinden«.

Greifst du nachträglich in den Plot ein? Sprich schreibst du bei der Überarbeitung schon mal um?

Ja, kommt vor. Aber ungern. Ich stecke lieber so viel Sorgfalt in die Vorbereitung, dass ich es gleich im ersten Anlauf hinkriege, wie es sein will, und mich bei der Überarbeitung nur noch auf Sprachliches konzentrieren muss.

 

Dein nächstes Buch »Gliss« ist ein Jugendbuch, oder wie es auf Amazon heißt: »All Age Science Fiction«. Welchen Unterschied zwischen Erwachsenenliteratur und Jugendbuch gilt es für dich als Autor zu beachten?

Im Jugendbuch sind die Helden jünger, meistens sechzehn, und es gibt ein bisschen weniger Gewalt und ein bisschen weniger Sex. Und ein paar Themen gehen eher nicht, weil jugendliche Leser sie zu wenig aus eigener Erfahrung nachvollziehen könnten. Wie es ist, nach zehn Jahren Ehe geschieden zu werden zum Beispiel wäre so ein unpassendes Thema.

Oder, kurz gesagt: Erwachsenenbücher schreibt man für sich selber, Jugendbücher schreibt man für denjenigen, der man mit vierzehn, fünfzehn, sechzehn war.

Der Klappentext von Gliss klingt schon mal interessant:
In ferner Zukunft siedeln Menschen auf einem fernen Planeten, der fast vollständig von einem rätselhaften Material bedeckt ist, auf dem es keine Reibung gibt und auf dem nichts haftet, dem sogenannten Gliss. Wer auf das Gliss gerät und davontreibt, ist verloren. Nur auf der Insel Hope ist es möglich, zu siedeln, Häuser zu errichten und dem fremden Boden Nahrung abzuringen. Da draußen dagegen, in der »Weite«, ist nichts mehr, nur das Gliss.
Zumindest haben Ajit, sein Freund Phil und Majala, in die Ajit heimlich verliebt ist, das so gelernt. Doch dann wird Ajit eines Tages Zeuge, wie ein unbekannter Toter aus der Weite angetrieben kommt – und auf einmal kommt alles in Bewegung, und es gibt kein Halten mehr …
Verrate uns doch ein bisschen mehr …

Es ist ein waschechter Science-Fiction-Roman: Irgendwann jenseits des Jahres, sagen wir, 2400 ist ein Siedlerraumschiff zu einem nahegelegenen Exoplaneten aufgebrochen, und der Roman spielt ein paar Generationen nach der Ankunft. Der Planet ist sehr anders als die Erde – er umkreist seine Sonne, einen roten Zwerg, alle 9,9 Tage und wendet ihr immer dieselbe Seite zu, d.h. man kann überhaupt nur in der Zwielichtzone leben, weil es anderswo entweder zu heiß oder zu kalt ist, es wird nachts nur selten dunkel, und vor allem ist eben der größte Teil des Planeten von einem geheimnisvollen Material bedeckt, dem Gliss, auf dem es keine Reibung gibt: Man kann egal was darauf setzen und ihm einen Schubs geben, dann rutscht es weiter und weiter, so lange, bis es auf ein Hindernis trifft.

Tja, und eines Tages ist Ajit eben Zeuge, wie ein Toter angerutscht kommt, aus einer Richtung, in der angeblich nichts mehr ist. Klar, dass damit das Abenteuer beginnt …

Sehe ich das richtig, dass wir eine Liebesgeschichte serviert bekommen und eine Reise in die Hintergründe einer Zivilisation?

Die Liebesgeschichte ist eher ein Unterton dabei. Im Wesentlichen ist es eine Abenteuergeschichte nach dem Motto »to boldly go where no man has gone before«.

Du hast bei PR ja den seitengewaltigsten Roman der Seriengeschichte geschrieben. Wie stolz bist du darauf, dich derart in die RHODAN-Historie eingetragen zu haben?

Extrem stolz.

RHODAN wird im September 60 Jahre alt und die Redaktion feiert das mit einem Online Jubiläumsabend. Was war dein berührendster RHODAN-Moment?

Oh, da gibt es viele, aber was mir immer wieder einfällt, ist diese Episode um Alaska Saedealere, Callibso und den Zeitbrunnen: Das war ganz großes Kino! Und ich damals wohl auch genau im richtigen Alter dafür …

Worüber ärgerst du dich heute noch in Bezug auf RHODAN?

Die Abschaffung des Siezens in Band 1000, weil es im Deutschen einfach schräg klingt, wenn sich alle duzen. Und die Entvölkerung der Erde im Aphilie-Zyklus, weil es so viel Historie abgeschnitten hat, an die man hätte anknüpfen können.

Was hättest du ganz anders konzipiert?

So manches, aber vor allem wäre Perry Rhodan bei mir nicht tausend Jahre lang Großadministrator geblieben. Ich hätte ihm eine deutlich wechselvollere politische Laufbahn verschafft – mit Abwahlen, vielleicht mal Exil und Verfolgung, dann wieder glanzvolle Wiederwahl und so weiter. Da hat man viel erzählerisches Potenzial verschenkt. Wobei ich zugestehe, dass es anders dem damaligen Publikum wahrscheinlich zu kompliziert gewesen wäre.

Das Solare Imperium irgendwann wieder abgeschafft hätte ich allerdings auch.

Nach dem dicken RHODAN-Wälzer wäre doch auch ein Exposé für eine Miniserie denkbar. Wäre das etwas für dich?

Eher nicht.

Dennoch mal theoretisch: In welcher Zeit würdest du die Handlung der Miniserie ansiedeln? Welche Epoche würde dich reizen?

Wenn, dann würde sie in den tausend Jahren vor Band 400 spielen. In der Ehe zwischen Perry Rhodan und Mory Rhodan-Abro würde es gerade mächtig krieseln, weil sich nach vier-, fünfhundert Jahren einfach eine gewisse Langeweile eingestellt hat. Ohne dass die Öffentlichkeit davon erfahren soll – da die beiden ja für die Verbindung Terra-Plophos stehen, wäre es politisch heikel, wenn das bekannt würde –, gehen die beiden schließlich heimlich zu einem berühmten Ehetherapeuten … doch das stellt sich als Falle heraus; die beiden werden entführt und geraten in ein Abenteuer, in dessen Verlauf sie schließlich wieder zueinander finden.

So ungefähr würde das. Sag selbst: Wer würde das lesen wollen?

Du musst darauf nichts sagen.

(Anmerkung Roman: Also ich würde das sehr wohl lesen!)

Du liest die Erstauflage. Der Chaotarchen-Zyklus ist nunmehr 27 Hefte alt – welche Idee hat dich am meisten begeistert?

Dass es die LEUCHTKRAFT war, die den Chaoporter gerammt und damit gestoppt hat. Yeah, dachte ich, als ich das las.

Wann dürfen wir wieder etwas von dir im RHODAN-Universum lesen?

Also, zum 60jährigen Jubiläum soll es ja was Spezielles geben, zu dem ich einen kurzen Roman beigesteuert habe, da weiß ich aber nicht, was ich darüber schon verraten darf. Und dann hat man mir ja angedroht, dass ich Heft 3199 schreiben müsse; mal sehen, ob es in dieser Hinsicht wirklich zum Äußersten kommt.

Andreas, danke für deine Zeit.

Offizielle Homepage von Andreas Eschbach:
http://www.andreaseschbach.de/

Hie gehts zur offiziellen Seite von „Eines Menschen Flügel“:
https://www.luebbe.de/luebbe-belletristik/buecher/science-fiction-romane/eines-menschen-fluegel/id_8494329

Hier zu „Gliss“:
https://www.arena-verlag.de/artikel/gliss-todliche-weite-978-3-401-80967-0