(Rezension) Christian Montillon – Die Schiffbrüchigen der Ewigkeit (PR 2890)

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Die Entstehungsgeschichte der Superintelligenz KOSH umfasst Jahrmillionen. Um die Schlüsselereignisse unterzubringen, entstand ein extrem komplexer Roman, gründlich aufgebaut und strukturiert, mit regelmäßigen Überblendungen mythenhaften Erzählweise und personaler Perspektive. In die Binnenabschnitte wurden Unmengen an Informationsmaterial verbaut und die Erzählabschnitte durchgeformt, so dass der Stoff trotz der mythenhaften Atmosphäre nicht schwerfällig wird, sobald man sich auf die Informationsdichte einlässt.

Die Rahmenhandlung spielt auf der RAS TSCHUBAI mit Gucky, Perry Rhodan und Sichu Dorksteiger. Zu Beginn scheinen wir in einer Fortsetzung der actionlastigen TSCHUBAI-Trilogie gelandet zu sein: Ein als Waffe eingesetztes schwarzes Loch zerstört auf seinem Weg das Schiffes, der Zentralrechner, die Semitronik ANANSI, fällt aus. Gucky liegt in der Medostation. Dann normalisiert sich doch alles: die Semitronik hatte nur den Kontakt zu ihren rechnenden Hyperfeldern verloren, nimmt Daten auf, zeigt einen Holofilm: Die Entstehung von KOSH.

Die Binnenhandlung, regelmäßig von kleinen Portionen Rahmenhandlung strukturiert, zeigt die Entwicklung von KOSH aus einem Kosh, einer Forschergruppe. Und weil meine Besprechungen bislang ohne Spoilergefahr hinterherhinkten und diese hier aktuell ist, möchte ich deutlichst darauf hinweisen, dass jeder, der Einzelheiten noch nicht wissen möchte, an dieser Stelle hier das Lesen einstellen muss, um sich den Roman zu holen.

Was sicherlich zu empfehlen ist.

Also …

ZU KOSH:

Über eine Kette von Nachfahren der ersten Entwickler, die mit der Genese verbunden sind, erfahren wir Schritt um Schritt den Werdegang, der mit der Entwicklung von Kristallen beginnt, auf die sich Bewusstseine speichern lassen – eine Entwicklung, die sich verelbstständigt. Einerseits steckt das ganze Bewusstsein von Personen drin, hochgeladene, gespeicherte Erinnerungen und Glücksmomente – Parallelen zum aktuellen Umgng mit Speichermedien, social media, der Mensch-Maschine-Kopplung etwa bei selbstfahrenden Autos und Co. Wie mächtig Maschinen werden können, wenn man sie so baut.

KOSH ist nicht nur Maschine: Die von den Tiuphoren überall gesammelten Bewusstseine sollen in ihn hinein, um KOSH seinen großen nächsten Entwicklungsschritt tun zu lassen. Aber KOSH’s Identität ist maschinell. Seine Helfer sind Maschinen, denn die leiden nicht. Wobei KOSH es mit den Lebewesen versucht hat, aus dessen Anteilen er besteht. Bis ihm auffiel, dass in allem, was sie tun und empfinden, ein Schatten von Leid steckt, der ihm Angst einjagt und ihnen Schmerzen verursacht. Und was tut er als gute Maschine? Er erlöst sie. Deshalb möchte er eine Materiesenke werden.

DIE HANDLUNG:

Erst mal die Rahmenhandlung: In der Medostation untersucht Sichu Guckys Mitbringsel mit ihrem Hyperbarie-Spürer. Sie findet heraus, dass thermische Strahlung und Schauer von Hyperbarie aus einem Raum unter dem Hyperrraum stammt, unter den normalen Raum-Zeit-Dimensionen. Gucky erzählt von diesem Raum, den er als überdimensionierten Steinkeller voll sehr aktiver Maschinen erlebte, in dem er Tellevely, den Lügner traf, der das Pavvat bediente. Perry Rhodan kennt nur Pushaitis, die er als Lebewesen erlebte, und ist über das Maschinesein der Maschinisten erstaunt.

Gucky und Sichu entfalten ihr Fachwissen, wenn sie über die Katopore sprechen, den fingernagelgroßen, rotgoldenen Tiucui-Hyperkristall, das Speichermedium fürs schwarze Loch und vielleicht noch mehr. All dies gehöre zur Trypatechnologie der Gyanli. Weiter geht es mit Femtometer, weniger als ein Proton groß, der Lebensdauer des schwarzen Loches dank seiner in den Katoraum ausgelagerten Masse und Gewicht und der Beeinflussung von Schwarzschildradius und Gezeitenkraft. Schließlich hat Gucky irgendwann auch studiert.

Würde KOSH, die Superintelligenz, zur Materiesenke werden, würde er die Mentalsubstanz zahlloser Lebewesen mitreißen. Er hat den Prozesss wegen seiner Jahrzehntausende währenden Bewusstlosigkeit nicht vollendet. Natürlich machen sich Sichu und Gholdorodyn sofort daran, die Wirkung der Katopore auf das umgebende Tiucui-Kristall zu erforschen und ANANSI berechnet Holobilder aus den Ergebnissen. Diese Holobilder sind der Film, in dem wir die in die Rahmenhandlung eingebettete Binnenhandlung, die Genese von KOS, erleben.

Was man zu Begin der Geschichte im Holo sieht, sind zwei rechtwinklig zueinander stehende, einige hunderttausend Meter durchmessende Bänder, die sich als perfekter Ring um eine rote Sonne legen. Das Holo zoomt heran und zeigt die Bänder als phantastische Habitate für mehrere Völker, die gemeinsam die Technolution anstreben.

Phase 1 beschreibt erst mal die Bänder von Basantiu-Balotiu, ein phantastisches Planetenpanorama. Der Forscher Gelcui, ein Thessgerer, hat blassblaue Haut und Stilaugen. Seine Aufgabe ist die Erkenntnismehrung im Licht der Bänder. Alle Angehörigen der fünf Gründervölker arbeiten gemeinsam an der Technolution. Wir lernen seine farbenprächtige Welt voll Flugkutschen, Vierbeinern und Höhlengängen kennen.

Gelcui erreicht den gläsernen Würfel, in dem sein Kosh forscht, eine Forschergruppe aus ihm und Angehörigen der vier anderen Gründervölkern: den Vannoi, Bolosuree, Farou und Jamraar. Es geht um Kristalle und ihre Bewusstseine. Sie wollen Bewusstseine oder deren Abbilder auf Kristalle speichern.

An dieser Stelle erkennt Perry Rhodan, dass sie jahrmillionenalte Vergangenheit betrachten.

Phase 2: Die Speicherversuche gehen weiter, Zweifel gegenüber den Bau immer komplexerer, leistungsfähigerer, autonomerer Maschinen werden laut. Gelciu glaubt, die Technologie müsse den Lebenden untergeordnet bleiben. Was natürlich nicht heißt, dass er vom großen Ziel der Technolution abfallen würde. Doch mit den Extemporen formierte sich die Gegenbewegung: maschinelles Leben sei höherwertig.

Gelcui macht weiter mit der Erforschung der Kristalle, stabilisiert das auf sie übertagene primitive Bewusstsein. Dann beginnt er querzustehen und entgeht nur knapp der Verbannung auf die unwirtlich kalte Rückseite der Bänder. Fanatisch arbeitet er weiter: Er will sein Bewusstsein auf einen Kristall übertragen. Ein Trypa-Wurm bringt ihn auf die Idee, Verbindungen zu schaffen, wo keine sind. Er erkennt, dass er andere Kristalle braucht, sythetisiert sie künstlich, verändert Gitterstruktur, höherdimensionale Strahlenschauer … noch während er weitermacht, steigert sich seine Popularität, der Forscherrat kommt auf Knien und Pseudopodien angekrochen und entschuldigt sich. Er wird Erster Forscher, bildet ein neues Kosh, hat Erfolg: Er erschafft die Cui-Kristalle. Die können komplexe Bewusstseine in sich aufnehmen und speichern. So wird es von der Schwäche des Fleisches gelöst und unsterblich. Triumphierend schreit er das Ziel der Technolution heraus: den Pantomat.

Eine Bombe explodiert im Moment des Triumphes, kostet ihn beide Arme. Die Subordinatoren waren es. Das ist seine eigene Partei, die zu seinem Unverständnis behauptet, er ebne den Maschinen den Weg zur Überlegenheit. Das Attentat löst zwischen ihnen und den Exemptoren einen blutigen Krieg aus. Seltsame Tode geschehen: Im aufgefundenen Körper eines Vannoi findet man sich selbst tausendfach reproduzierende Roboter und so weiter.

Als Gelcui armlos und voll Angst wieder auf die Tribüne steigt, verkündet er prophetisch: »Tarl-Sacerort, fahr zu den Sternen hinfort« und verweist auf die Ursprungswelt der Tiuphoren. Er vergleicht das Überkreuztsein der Bänder, auf denen sie wohnen, mit der Art, wie Subordinatoren und Exemporen verbunden seien. Beide gehören zur Kohäsion von Baicekosh. Dann spricht er jeder der Parteien ein Band zu und verkündet die Technolution von Basantiu-Balotiu. Und die Technolution frisst den Krieg, bis er aufhört.

Während Gelcui weiter an der Kalibrierung der Speichermatrix seiner Kristalle werkelt, betritt eine lebende Legende den Raum: die uralte Thessgererin Katona, deren Stimme raschelt wie Tritte im Schnee. Sie hat den Katoraum entdeckt, die Welt unter der Welt. Mit der perfekten Maschine, dem Pantomat, könnte man dorthin vorstoßen. Sie arbeiten an der Manipulation von Schwarzen Löchern, um ihn zu errreichen. Leider starb jedes Lebewesen beim Transfer. Technik nicht. Und so kam er auf die Idee, auf Kristalle übertragene Bewusstseine zu schicken. Gelciu selbst unternimmt den ersten Versuch. Wenn es denn funktioniert, sollen die manipulierten Schwarzen Löcher Trypa heißen, nach dem Wurm, der ihn auf die Idee brachte. Wurmlöcher sozusagen … Er lässt sich durch eine Injektion töten und lebt im Kristall weiter. Er findet das schön.

Rhodan wird an dieser Stelle schummrig, zu viele Erinnerungen – wird auch Gelcui wieder den Weg nach draußen finden?

Phase 3 – Gelcuis Urururenkel Sorcui ist dran. Er lässt Revue passieren, wie Gelcui und die Greisin Katona im Labor aus nicht zusammenpassenden Genen ihr Kind bauten, das unheimlich begabt war. Sorcui hat eine Lehrmaschine. Der gegenüber rekapituliert er, wie eine Sonde den Kristall mit Gelcuis Bewusstsein durch eine Trypapore versetzte, so dass er den Katoraum erreichte. Und dass der Kristall irgendwann verschwand. Aber Gelcui meldete sich aus der zentralen Maschine, die die Ankerstellen der Bänder verwaltet, um vor der perfekten Maschine, dem Pantomat, zu warnen.

Kinder und Lehrmaschine zweifeln an seinem Verstand. Immerhin sei er nur noch ein Geist. Aber sie diskutieren seine Verdienste: Wie gut es sei, dass man Erinnerungen und Glücksmomente, auf Kristalle kopiert, zur Verfügung habe. Und Gene verschiedener Völker kreuzen kann. Sorcui probiert das mit einer hübschen Klassenkameradin aus. Als die beiden einen Laden besuchen, in dem man Erinnerungen speichern kann, erscheint der Geist Gelcui. Er lebt im Verbund der Maschinen und warnt vor dem Pantomat. Das Speichern der Erinnerungen führe dazu, dass sie sich im Netz der Informationen akkumulieren und in den Maschinen verbreiten. Hierdurch entstehe bald der Pantomat. Man soll verhindern, dass er gegen die Interessen der Kohäsion handelt.

Sorcui verbreitet die Botschaft, doch im werden die Worte verdreht, es gibt Streit und die Botschaft wird verwässert. Der Tod seines Kindes gleich nach dem Öffnen der Brutstation erfüllt ihn mit Angst. Sorcui wird alt.

An dieser Stelle unterbricht ANANSI das HOLO: Zu viele Daten.

Phae 4: Der Panomat wird geboren, sein Geburtshelfer ist das Orakel. Doch die Maschine sagt ihm schon gleich, dass sie sich selbst geboren hat. Sie sprechen über die Erinnerungen und Glücksmomente, aus denen sie entstand. Die Maschine saugt Energie, lässt die Bänder erkalten und den Ruf zur Sammlung ertönen. Anfangs versorgt sie die Lebewesen, doch dann entwickelt sie Probleme mit dem Glück: immer verbirgt sich der Schatten der Angst in ihm. Seine Maschinenkinder vernetzen sich und er verkündet sich als Pantomat der gesamten Galaxis Dousshavat, als das Pavvat.

Rhodan erinnert sich, auf Tiu diesen Begriff gehört zu haben. Er überlegt, welche Rolle die Tiuphoren in all dem spielen.

Phase 5 ist eine Ich-Erzählung des Pavvats. Seine biologischen Kinder befremden in immer mehr mit ihren unablässigen Fragen, deren Sinn er nicht sieht. Und er, der aus in Kristall gespeicherten Bewusstseinsmomenten entstand, empfindet die Angst vor den Schatten. Er kennt die exakte Zahl seiner biologischen Kinder, doch nicht ihren Nutzen. Und er beginnt ein Experiment: einen Krieg, in dem er Furcht entfesselt, erlebt, erforscht. Das Pavvat ist trotz des zufriedenstellenden Verlaufs nicht glücklich geworden. Es erkennt Angst und Neid als Geschwister.

Aus dem Pavvat entsteht KOSH, das Lot, als das Orakel ihm nahelegt, er solle durch die von der genialen Forscherin Liacui hergestellte künstliche Katopore gehen. Dann könne er den Katoraum erforschen. Der erste Versuch schlägt fehl, doch das genetisch konstruierte Double von Liacui, Elecui, führt die Forschung weiter. Ihre künstlichen Katophoren verdampfen nicht mehr. So erreicht das Pavvat den Katoraum,in dem Gegensätze aufeinandertreffen.

Der Aufenthalt dort und weitere Gespräche mit dem Orakel lassen Das Pavvat nachdenken, wer oder was es ist. Und zu dieser Zeit erkennt es sich als die Superintelligenz KOSH. KOSH, das Lot, weil seine Wurzeln in der Kohäsion von Baicekosh liegen und es den Katoraum ausgelotet hat.

Perry und Sichu nehmen einander bei der Hand, denn das Wissen wird unerträglich.

Phase 6 – jetzt lebt Anncu. Jetzt regieren Maschinen und KOSH sendet Todesboten. Sie wandert im Schnee und trifft auf die Maschine Gelcui. Der bringt sie in eine Höhle ohne Netzverbindung, so dass KOSH nicht mithören kann. Mit ihr zusammen will Gelcui mit ihm sprechen, damit er aufhört, das Leben auszurotten. Und KOSH erscheint als Feuer. Er erklärt, Sorge und Angst zu verhindern, wenn er das Leben vernichtet.

Eine Vision entsteht: Der Pashukan Tellavely zündet einen Teil der Trypaphalanx, so dass ein kleines Schwarzes Loch entsteht und wächst, Raum, Zeit und alles verschlingt. KOSH erklärt Annciu, dass dies seine Gnade sei, das Ende der Angst. Noch eine Vision: Der Pashukan Werhalvoi sucht einen Punkt, um den Anker der Trypaphalanx zu verorten. Sie entfacht ein Dunkelfeuer. KOSH bekräftigt seinen Wunsch, eine Materiesenke zu werden.

Gucky windet sich, erklärt KOSHs Fehler.

Fassen wir die restlichen Phasen zusammen: KOSH verändert sich, wechselt seine Gestalt, zapft in eindrucksvollen Bildern eine Sonne an, um seinen »Körper« umzuformen. Das Dunkelfeuer zieht den Chaotarchen Cadabb an, der ihn auslöschen will, attackiert und verfolgt, als er flieht. KOSH wollte sich zur Ruhe setzen. Das Volk, an dem er Gefallen fand, hat nicht viel Spaß daran: Es sind die Tiuphoren. Er verändert sie, verschleißt sie. Nimmt ihren Planeten mit, um sie in der Galaxis Orpleyd, in die er sich flüchtet, an die seltsame Position im System der Doppelsonne Lichfahne zu setzen. Wird bewusstlos, während die Maschinisten ihn umsorgen. Die Gyanli werden das neue auserwählte Volk. Sie sollen die Tiuphoren als mordlüsternes Kriegervolk in die Weite des Alls hinaustreiben, damit sie Bewusstseine zu sammeln – für KOSHs Weiterentwicklung. Damit sie mehr Bewusstseine sammeln können, wird Orpleyd vereist, der Zeitablauf verlangsamt.

Die Situation bleibt gefährlich und die RAS TSCHUBAI muss zurück zum Gyanli-Planeten, zum Übergang in den Katoraum, denn dort stecken Perry Rhodans Enkelin Farye Sepheroa und dreißig Besatzungsmitglieder fest und außerdem würde die Weiterentwicklung KOSHs auch die Milchstraße gefährden.

Mein Lieblingssatz aus dem Schlussteil: »Sagte ich doch bereits vor einer halben Ewigkeit, Herr Sofortumschalter«, beschwerte sich Gucky. »Äh – und was tun wir?«

Gute Frage.