Michael Marcus Thurner interviewt Susan Schwartz – II

19.04.2017 08:00

»Meine Vorfreude ist riesig« – Teil zwei

 

Es ist eine Überraschung für viele PERRY RHODAN-Leser: Nach langer Pause kehrt Susan Schwartz ins Autorenteam der PERRY RHODAN-Serie zurück. Ihr erster Roman trägt die Bandnummer 2907 und erscheint am 5. Mai 2017.

Grund genug, mit der Autorin ein Interview zu führen – die Fragen hierzu stellte Michael Marcus Thurner.

Wir veröffentlichen das Interview in zwei Teilen: Gestern kam der erste Teil, hier ist die Fortsetzung.

Michael Marcus Thurner: Du warst den PERRY RHODAN-Lesern früher als Autorin bekannt, die sehr viel Wert auf Personenbeschreibung und dichte Atmosphäre legte. Wird das weiterhin dein Schwerpunkt sein? Wie hat sich dein Schreibstil deiner Meinung nach in den letzten Jahren weiterentwickelt?

Susan Schwartz: Ja, darauf liegt weiterhin mein Schwerpunkt, denn das ist meine Stärke. Es wäre ungeschickt, das ändern zu wollen. Abgesehen davon interessiert mich das Verhalten Anderer und das Miteinander mehr denn je, und ein exotisches Ambiente sowieso. Durch die Vielfältigkeit und die Textmenge, die ich während der vergangenen vierzehn Jahre verfasst habe, habe ich einen guten Fluss und tue mir mit dem Schreiben leichter als früher. Ich bin entspannter geworden, gehe lockerer dran und will auch nicht mehr partout mit dem Kopf durch die Wand.

Michael Marcus Thurner: Dein erster Beitrag als offizielles Teammitglied ist der PR-Roman mit der Nummer 2907. Du beschäftigst dich mit den Angehörigen eines neuen Volkes und musst sie charakterisieren. Wie überhaupt eine Menge neu ist zu Beginn des Zyklus. Hast du’s lieber, neue Figuren aufzubauen, oder bevorzugst du es, bereits gut eingeführte Charaktere zu »pflegen« und ihr Wesen gegebenenfalls zu vertiefen?

Susan Schwartz: Neue Figuren aufzubauen reizt mich sehr. Sie sind mir fremd, ich muss mich erst an sie herantasten und sie kennenlernen. Manchmal erlebe ich dabei durchaus Überraschungen, und das gefällt mir besonders. Ich will herausfinden, wie sie leben, welche Eigenarten und Macken sie haben, welche Sitten ihr Volk hat. (Dazu zählen auch Terraner, sind ja nicht alle gleich.)

Das gestaltet das Schreiben besonders spannend, vor allem wenn die neuen Figuren partout nicht das machen, was sie sollen, es aber laut Expo tun müssen. Sie zu überreden und dahin zu bringen … das ist eine Herausforderung. Vor allem dann, wenn eine neue Figur so was von unsympathisch, durchtrieben oder gar böse ist …

Was mich allerdings auch reizt, ist das »Hinausführen« einer Person, also ihr ein Ende zu bereiten. Als ich den Auftrag erhielt, Band 2694 zu übernehmen und das Ende von Shamsur Routh zu beschreiben, konnte ich da vor allem meine Erfahrung mit Demenzkranken schildern – und auch verarbeiten. Das war ein wenig starker Tobak für manche, aber ich habe allerhand Zuschriften bekommen, in denen man sich bei mir bedankte, weil es nachvollziehbar war – in all seinen tragischen Aspekten. Viele, die in dem Alter sind, da ihre Eltern dement werden, empfanden es als Unterstützung, weil sie sich verstanden fühlten.

In meinen Seminaren habe ich ja öfter mal darauf hingewiesen, dass ein tragischer Tod unvergesslich bleibt. Wie seinerzeit die Vandemar-Zwillinge … als die Spiralgalaxis das erste Mal erschien.

Ich denke, du kannst inzwischen gut nachvollziehen, was ich meine.

Michael Marcus Thurner: Darüber hinaus wirst du uns ein besonderes Schiff vorstellen. Die Expokraten haben dir bei der Ausgestaltung dieses Schiffs große Freiheiten gegeben, auch inhaltlich kannst du Vieles selbst gestalten. Magst du diese Ellbogenfreiheit oder sind dir dichte Vorgaben lieber? Schreibst du munter drauflos? Vielleicht kannst du deine Arbeitsweise mal kurz skizzieren.

Susan Schwartz: Ich habe in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren neben eigenen mit allen Arten an Exposés zu tun gehabt. Vom Einzeiler bis zur Ausführlichkeit in kapitelweiser Gliederung war und ist alles geboten. Ich komme mit allem problemlos zurecht – als Auftragsprofi muss ich das auch –, jeder Exposétyp hat seine Vorteile. Ich könnte nicht sagen, was mir mehr liegt oder was ich bevorzuge. Meistens bekommt man ja auch bei ausführlichen Exposés immer noch jede Menge Freiheit der Gestaltung, ich habe nie ein enges Korsett erlebt. Man muss natürlich ein Gespür entwickeln, was aus dem Exposé unbedingt übernommen werden muss – und ohne Änderungen – und wo man wild drauflos fabulieren kann.

Bei einem Einzeiler muss ich mir zuerst selbst eine Struktur erarbeiten, bevor ich loslege. Ich hatte schon ein paar Romane, bei denen ich einfach drauflos geschrieben habe, ohne mir vorher allzu viel zurechtgelegt zu haben. Das hat sich dann so ergeben, die Geschichte war im Prinzip fertig – im Kopf.

Ich bevorzuge es aber, mich vorher gut zu organisieren, um beim Schreiben freier zu sein, mich nicht zu verzetteln oder gar in einer Sackgasse zu landen. Das kostet mich zu viel Zeit und Nerven, vom einen habe ich nie genug, und das andere will ich lieber schonen. Außerdem bin ich tief in mir drin ein fauler Mensch und arbeite daher bevorzugt effizient. Wenn ich die Reiseroute kenne – und ich will immer wissen, wohin es geht und was das Ziel ist –, bleibe ich per Navi auf Kurs und denke mir im kreativen Schreibprozess frisch von der Leber all die Hindernisse und Schwierigkeiten aus, die ich meinen Helden in den Weg schmeißen kann.

Zudem schreibe ich nicht linear. Während ich schreibe, ist mein Gedankengang szenarisch schon viel weiter. Fällt mir also beim Pferdeboxmisten oder Gassigehen oder auch schon mal im Restaurant oder mitten im Schlaf eine Szene ein, die erst später spielt, schreibe ich diese sofort nieder, und zwar komplett und nicht stichpunktartig, denn sonst sind die Formulierungen und Stimmungen weg. Wenn einem das szenarisch so vor Augen steht, muss es raus aus dem Kopf, denn später kriegt man das nie mehr so hin – und die besten Ideen davon sind fort.

Daraus entsteht dann im Verlauf ein regelrechtes Patchwork, das ich nach und nach zusammenfüge und verbinde. Bei Doppelbänden beispielsweise schreibe ich an beiden Romanen gleichzeitig. Dadurch werden vor allem die Charakterisierungen stringenter, der ganze Verlauf ist homogener und ich vermeide Brüche.
Ich habe zusammengefasst drei Phasen: Vorbereitung – Schreiben – Nachbereitung. Jede Phase mag ich gern, denn sie bietet Überraschungen und Abwechslung.