Logo 60 Jahre PERRY RHODAN Tribut – Beitragsbild

»Kosmische Karenz« von Markus Regler

Perry Rhodan schob das Holo beiseite, auf dem er Vertragsunterlagen studiert hatte. Ein rot pulsierender Ball unter der Panzertroplonkuppel und ein nervenzerreißender Alarmton wiesen auf eine gravierende Fehlfunktion in den Eingeweiden der Space-Jet hin.

Er trat an das Pult des Maschinisten – und fluchte in gänzlich untypischer Weise. Das Librotron hatte einen Defekt. Er rief das Statusholo auf. Die Energieverteilerspulen für das äußere, statische Halbraumfeld waren durchgebrannt. Die Feldlinien waren instabil, der Verstärkungseffekt für die inneren Halbraumfelder sowie den Konturprojektor quasi nicht mehr vorhanden.

Zähneknirschend projizierte er eine Sternenkarte vor sich. Sein Ziel war eine Gruppe terranisch-arkonidischer Kolonien, die sich um eine Freihandelszone mit der Lemurischen Allianz bemühte. Er war dort für die Verhandlungsführung vorgesehen. Wegen seiner eng getakteten Termine hatte er eine Abkürzung durch diesen spärlich bereisten Sektor genommen.

»Da verlässt man sich einmal auf seinen ältesten Freund …«, murmelte er. Reginald Bull traf sogar doppelt Schuld. Immerhin hatte dessen Büro die Terminplanung übernommen und Bully selbst auf die angeblich schnellere Route hingewiesen.

Bis man den automatischen Notruf empfing und ihn aus seiner Klemme befreite, würden Tage vergehen. Bis dahin waren die Verhandlungen längst gelaufen oder geplatzt. Selbsthilfe war daher gefragt. Mit etwas Geschick gelang ihm die Neukalibrierung der Halbraumaggregate, so dass zumindest eine kurze Linearetappe drin war, bevor die Feldprojektoren endgültig ihren Geist aufgaben.

Etwas knirschte unter seinem rechten Fuß. Erstaunt erkannte er eine zerbrochene Phiole, aus der ihm Lavendelduft in die Nase stieg. Hatte ein vorheriger Benutzer der Jet eine Parfümflasche vergessen? Diplomaten waren ein seltsames Volk.

Die Karten zeigten ein besiedeltes System in einer Entfernung von etwa zwölf Lichtjahren an. Die Informationen waren dürftig, ließen aber den Schluss zu, dass er dort passende Ersatzteile erstehen konnte. Er setzt eine Funkboje ab und machte sich an die Arbeit.

*

Der Linearraum spie die Space-Jet des Diplomatischen Korps geradezu aus. Eine Erschütterung aus dem Bauch des Schiffes zwang Rhodan zu einem Ausfallschritt. Nun war das Lineartriebwerk wohl endgültig hinüber, was der unmittelbar danach einsetzende Alarm bestätigte.

Die Sensoren der Jet maßen keinen nennenswerten Schiffsverkehr in diesem System an, dessen Sonne in den Katalogen unter dem Namen LX geführt wurde. Der Kontaktversuch mit dem einzigen Raumhafen auf dem Hauptplaneten Neodym über den noch funktionsfähigen Normalfunk schlug fehl.

Angetrieben vom Restimpuls des Halbraumsprungs taumelte das Schiff dem Planeten entgegen. Ohne funktionierenden Konturprojektor war keine vernünftige Unterlichtfahrt möglich. Lediglich mit Hilfe der Gravotrons, deren Feldprojektoren ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen waren, arbeitete er sich an Neodym heran. Schließlich brachen auch diese Schalenfelder zusammen. Die Jet stürzte der Planetenoberfläche entgegen.

*

Die Ebene, auf der Perry Rhodan die Space-Jet mühsam »landete«, konnte man nur mit viel Wohlwollen als Flugfeld bezeichnen. Kaum berührten die Landestützen den Boden, deaktivierte der Bordrechner sämtliche nun überflüssigen Systeme. Es wirkte, als sacke das Schiff nach erfüllter Pflicht in sich zusammen. Auch Rhodan gönnte sich einen Moment des Durchatmens. Dem Piloten in ihm war alles abverlangt worden.

Er sah durch die transparente Kuppel hinüber zu dem einige hundert Meter entfernten flachen Gebäude. Dort ließ sich niemand blicken. Der Lavendelduft hing ihm immer noch in der Nase, während er hinunter zur Schleuse kletterte. In der Vorbereitungskammer war die Luft erhitzt. Sie hatte von den direkt nebenan liegenden Librotron-Aggregaten jede Menge Wärme und Strahlung abbekommen. Die beiden Not-SERUNS waren nicht funktionsfähig und mehr war auf diesem Diplomatenschiff nicht vorgesehen.

»Vernünftige Ausrüstung fehlt. Dafür ist ein extra Kühlabteil für exotische Häppchen installiert.« Mürrisch notierte er auch diesen Punkt auf seiner imaginären Liste für die nächste Besprechung mit seinem ältesten Freund.

Er musste sich mit seiner Bordkombination begnügen, aber das würde keine Probleme bereiten. Neodym war hinsichtlich Schwerkraft, Atmosphäre und Temperatur absolut erdähnlich.

*

Der Hafenmeister des kleinen Raumhafens wirkte gelangweilt. Die indigenen Bewohner des Planeten waren Löwenartige und dieses Exemplar machte den Eindruck, als habe er schon bessere Tage gesehen. Sein Büro stand dem in nichts nach. Der Schreibtisch war mit Aktenbergen und benutzten Essensschalen überladen, die veraltete Holotechnik produzierte nur flackernde Bilder und überhaupt hätte ein Putzroboter dem gesamten Raum gutgetan. Immerhin sprach man Interkosmo.

»Verstehe ich richtig? Es gibt hier keinerlei Ersatzteile und Reparaturmöglichkeiten?« Rhodan war nicht sonderlich überrascht.

»Das ist korrekt. Da musst du hoch nach Znailla. Da sitzt das große Geld. Uns hier haben windige Investoren heruntergewirtschaftet. Für die waren wir nur Spielmaterial.« Der Löwenartige schnaubte und zeigte dabei seine Reißzähne.

»Wie komme ich dahin?«

»Ich könnte dir einen Elektrowagen vermieten.«

Neodymer waren von ihrer Statur her menschenähnlich und so saß Perry Rhodan leidlich bequem im Pilotensitz des Fahrzeugs, das ihn an ein vierrädriges Motorrad erinnerte. Den etwas muffigen Geruch ignorierte er. Er steckte die Berechtigungskarte, die er von dem Hafenmeister erhalten hatte, in den dafür vorgesehenen Schlitz. Ein Display leuchtete auf, er gab sein Ziel ein und der Kurs wurde auf einer Reliefkarte angezeigt. Eintausendachthundert Kilometer rechnete er um. Kurz ließ er den Kopf sinken. Die Sache wurde nicht besser. Aber es blieb nichts anderes übrig, wenn er halbwegs zeitnah wieder starten wollte. Er lenkte den Elektrowagen von der Parkfläche.

*

»Ich will einen anderen Wagen.« Rhodan warf die Berechtigungskarte auf den Schreibtisch des Hafenmeisters. »Dieser hier ist defekt.«

Der Neodymer hob die Lefzen. Er rief ein flirrendes Holo auf und kramte in den Folien auf seinem Tisch. »Meinen Unterlagen zufolge ist der Wagen in Ordnung. Ich habe ihn vor wenigen Tagen erst gewartet.«

»Das kann nicht sein. Der Antrieb ist in seiner Leistung deutlich eingeschränkt.«

»Wirklich? Was fehlt denn?« Der Hafenmeister wirkte demonstrativ desinteressiert.

»Geschwindigkeit!«, presste Rhodan hervor. »Das Ding macht kaum sechzig Kilometer in der Stunde!«

»Und? Wo ist das Problem?«

»Das ist zu langsam! Da bin ich drei Tage unterwegs nach Znalle!«

»Znailla«, korrigierte ihn der Neodymer ungerührt. »Und der Flitzer ist nicht defekt. Er tut das, was er soll. Wir haben hier ein sehr striktes Reglement für bodengebundene Fahrzeuge. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt exakt sechzig terranische Kilometer pro terranischer Stunde. Das Terrania Institute of Technology hat vor Jahrhunderten schon herausgefunden, dass dieser Wert das optimale Verhältnis zwischen Reisegeschwindigkeit und Unfallopfern abbildet. Und seit Einführung dieses Grenzwertes haben wir genau null Todesfälle im Straßenverkehr.«

Vermutlich, weil niemand mehr mit so einem »Flitzer« fährt, dachte Rhodan. Weil das zu langsam ist!

Nach außen hin beherrschte er sich. Er hatte keine andere Wahl. Er kaufte dem Hafenmeister völlig überteuerten Proviant ab und machte sich auf den Weg,

*

Immerhin waren die Verkehrswege frei, was nicht verwunderlich war. Er befand sich mitten im Nirgendwo. Die Straße führte schnurgerade durch eine rote Sandebene. Spärliche Vegetation und einzelne Hügel wechselten sich ab. Es war früher Nachmittag und die Sonne stand hoch. Aber der Fahrtwind sorgte dafür, dass Rhodan nicht ins Schwitzen kam. Nach einiger Zeit entspannte sich der Liga-Kommissar und genoss die fremdartige Flora und Fauna. Fremde Welten zogen ihn auch nach Jahrtausenden noch in ihren Bann. Viel zu häufig bekam er bei seinen Besuchen nur die Hauptstädte und Industriekomplexe der Planeten zu sehen, wenn er denn über Raumhafen, Hotel und Konferenzräume hinauskam. Man musste Gelegenheiten beim Schopf packen, sobald sie vorüberkamen. Er wollte die Eindrücke dieser Reise bewusst in sich aufsaugen.

Als die Sonne LX sich hinter den Horizont senkte, machte er sich in einer windgeschützten Ecke an einem großen Felsen ein Nachtlager zurecht. Er kaute einen Fruchtriegel und beobachtete die aufgehenden Sterne. Wie lange hatte er das Firmament nicht mehr betrachtet, ohne dass er im Kopf schon Gedanken zu den Terminen des Folgetages gewälzt hatte? Die blitzenden Lichtpunkte vermochten ihn immer noch zu faszinieren, trotz der kosmischen Wunder, die er gesehen hatte. Ihr Anblick erfüllte ihn nach wie vor mit Neugierde und Sehnsucht.

*

Am nächsten Morgen machte er sich erholt auf den Weg. Doch die Ausgeglichenheit verflog schnell, als sein Fahrzeug plötzlich stotterte und langsam ausrollte.

Fluchend hieb Rhodan mit der Faust auf das Display, das eine Fehlermeldung zeigte. Er stieg ab und löste eine Abdeckung, hinter der sich ein Gewirr aus Kabeln und Schläuchen verbarg. Der kleine Bildschirm lieferte zwar eine Bedienungsanleitung, nur leider ohne akustische Unterstützung. Mühselig arbeitete er sich durch das technische Dickicht, um den Fehler zu identifizieren. Eine der Schlauchhalterungen hatte sich verklemmt. Rhodan zog an dem Plastikelement, das sich widerspenstig zeigte. Endlich löste sich die Halterung und mit ihr der Schlauch. Eine braune, zähe Flüssigkeit sprühte heraus und überzog sein Gesicht und Oberkörper mit einem stinkenden, dünnen Film.

Die Substanz aus dem Schlauch fühlte sich wie Schmiermittel an. Aus dem kleinen Stauraum angelte er Tücher, die allerdings nur eine notdürftige Reinigung ermöglichten. Eine nicht geringe Menge war im Sand versickert, während er versucht hatte, das Zeug aus seinen Augen zu entfernen. Folgerichtig war eine neue Meldung auf dem Display hinzugekommen: der Druck in einem Aggregatskreislauf war unter die Mindestgrenze gefallen. Der Schlauch war zudem an der Halterung abgerissen. Eine Reparatur aus Bordmitteln rückte damit in weite Ferne.

Maschinen schienen auf dieser Reise nicht mehr seine Freunde zu werden. Missmutig musterte er die endlos währende Straße vor sich. Wieder saß er im Niemandsland fest. Das kleine Landefeld lag über eine halbe Tagesreise hinter ihm. Es zu Fuß zu erreichen war ausgeschlossen. Also würde er der Trasse folgen in der Hoffnung, demnächst auf eine Siedlung oder ein Fahrzeug zu stoßen. Er packte Verpflegung und Wasser in die Taschen seiner Kombination und in einen kleinen Beutel und marschierte los.

*

Gegen Mittag stiegen die Temperaturen spürbar an. Eine kleine Baumgruppe spendete genug Schatten für eine Ruhepause, eine Mahlzeit und ein kurzes Nickerchen brachten verbrauchte Kräfte zurück. Dennoch blieb er noch eine Weile sitzen. Das leise Summen der Insekten und die flimmernde Luft versetzten ihn geradezu in einen meditativen Zustand. Der warme Wind trug den süßlichen Duft eines kargen Blumenfelds herüber. Es ergab keinen Sinn, bei dieser Hitze weiterzureisen. Solange es nicht abkühlte, steckte er hier fest. Möglicherweise würde man ihn suchen, wenn man seinen »Flitzer« vermisste. Ziemlich sicher würde über kurz oder lang ein Fahrzeug entlang kommen. Bis dahin musste er sich gedulden. Es half nichts, sich aufzuregen oder mit dem Schicksal zu hadern.

Er versuchte eine Dagor-Meditation und wählte eine Routine, die er schon viel zu lange nicht mehr durchgeführt hatte. Seine Kalendereinträge waren meist so dicht getaktet, dass er zumeist gerade so den nächsten Konferenzraum erreichte. Oft schaffte er nicht einmal das. Glücklicherweise war Sichu in ihren wissenschaftlichen und beratenden Tätigkeiten ebenso stark eingebunden. Dadurch litt die Beziehung nicht allzu sehr.

In einem Gebüsch erspähte er einige blaue Beeren. Er probierte sie im Vertrauen auf seinen Zellaktivator. Sie schmeckten und so fügte er sie seinem Vorrat hinzu.

Nahezu tiefenentspannt machte er sich auf den Weg. Auch dieses Gefühl entdeckte er soeben wieder neu.

*

Ihm war klar, welchen Eindruck er auf den Neodymer mit der vollen Haarpracht machen musste. Ein fremder Humanoider mit verdreckter Kleidung, der allein in der Sandebene wanderte. Von dem sicherlich vorhandenen Geruch ganz zu schweigen. Der Löwenartige musterte ihn stumm. Er hatte Rhodan mit seinem Transportfahrzeug eingeholt und zur Freude des Terraners auch angehalten. Nun überlegte er wahrscheinlich, ob er diesen Fremden, der bereits halb in seiner Lenkkabine hing, mitnehmen wollte.

»Gehört dir der Scooter, an dem ich vorhin vorbeigekommen bin?« Er deutete hinter sich.

Rhodan nickte. Damit musste er seine Notlage nicht mehr im Detail erklären.

»Dann spring rein. Wohin willst du?«

»Zum Raumhafen.«

Der Fahrer brüllte – wohl vor Belustigung – so laut, dass Rhodan zusammenzuckte.

»Das ist zu Fuß aber eine Herausforderung.«

»Ich mache das nicht freiwillig.«

Der andere brüllte erneut. »Dann hast du Glück. Ich fahre bis Hergh in Lehm. Der Raumhafen ist kurz dahinter. Von dort kommst du sicher hin. Spring rein!«

Rhodan bemerkte, dass auch dieses Fahrzeug, obgleich viel größer als sein »Scooter«, ebenfalls nur mit sechzig Kilometer pro Stunde reiste. Auf Neodym schien man es mit der Geschwindigkeitsbegrenzung genau zu nehmen.

»Es ist nicht mehr weit bis zu einer kleinen Raststation. Dort übernachten wir. Aber zuerst essen wir was Ordentliches. Und wir trinken schön einen.« Sein neuer Reisegefährte grollte laut vor Vorfreude. »Ich lade dich ein«, fügte er gönnerhaft hinzu, bevor Rhodan antworten konnte. »Meine Tour ist ein Glücksgriff. In Hergh findet bald eine wichtige Feier statt. Der Sechzigstein wird dieses Jahr dort verehrt und ich habe die Ehre, ihn dorthin bringen zu dürfen. Und natürlich wird das hervorragend vergütet.«

»Du hast also ein wertvolles Kleinod hinten auf der Ladefläche und trotzdem traust du dich, einen völlig fremden Anhalter mitzunehmen. Was, wenn ich dich bestehlen wollte?«

Diesmal röhrte er so laut, dass Rhodan sich die Ohren zuhalten musste. »Erstens kannst du nichts damit anfangen. Für Fremde ist der Sechzigstein ein wertloser, blauer Steinklumpen. Zweitens … sieh dich doch an, du Hemd. Was willst du mir schon anhaben?«

Wie zur Drohung zeigte er sein beeindruckendes Gebiss, bei dessen Anblick Rhodan tatsächlich ein wenig mulmig wurde. Aber er behielt staatsmännisch die Fassung.

»Ich sehe schon, wir werden gute Freunde. Ich bin übrigens Sessanta.«

*

Die »Raststation« entpuppte sich als heruntergekommene Ansammlung geduckter Gebäude, die sich um eine etwa doppelt so hohe Kuppel scharten. Mehrere Transportfahrzeuge waren bereits eingetroffen und so war die Schenke, darum handelte es sich bei dem Kuppelgebilde, gut gefüllt.

»Wieso sind hier so viele Leute? Wir haben den ganzen Tag niemanden gesehen«, brüllte Rhodan gegen den Lärm der für menschliche Ohren reichlich schiefen Musik an.

»Die Straße führt geradewegs weiter zum Raumhafen. Ein kurzes Stück weiter münden Zubringer ein, die zu den größeren Siedlungen führen. Die Fahrer sammeln sich alle hier, um die Nacht zu verbringen.« Sessanta nahm zwei Steinkrüge vom Tablett eines vorbeibalancierenden Kellners und knallte sie auf den Tisch, dass der Inhalt überschwappte. »Und um zu trinken!«

Perry Rhodan sah sich einem Trinkgefäß gegenüber, das gut und gerne eineinhalb Liter fassen mochte. Er hob es an und nahm einen Schluck. Das Gebräu schmeckte würzig und die Kohlensäure prickelte auf der Zunge. Anerkennend nickte er seinem Begleiter zu, der das Getränk mit tiefen Zügen die Kehle hinunterlaufen ließ und den leeren Krug anschließend auf den Tisch knallte.

»Was ist mit dir? Schmeckt es dir nicht?«, schrie er.

Rhodan nickte beteuernd und nahm noch einen Schluck. Unter Sessantas prüfenden Blick trank er weiter. Der ZA-Chip in seiner Schulter würde dafür sorgen, dass er nicht unter dem Tisch landete. Dennoch war der Krug noch mehr als halb gefüllt, als er ihn wieder absetzte.

Der Löwenartige schien sich darüber großartig zu amüsieren. »Das wird noch, mein Freund.« Sein Hieb mit der Pranke auf Rhodans Schulter drückte diesen beinahe auf die Tischplatte. »Du wirkst, als ob du dich normalerweise immer unter Kontrolle haben musst. Aber so wie ich das sehe, hast du morgen nicht besonders viel vor. Also kannst du dich heute mal locker machen.«

»Wer fährt morgen den Transporter?«, wandte Rhodan ein.

»Das lass meine Sorge sein.«

*

Zwei Stunden später fühlte sich Rhodan tatsächlich sehr gelöst. Bei der großen Menge Geshta, wie das Getränk hieß, das ihm ständig aufgenötigt wurde, machte sich der Alkohol eben doch ein wenig bemerkbar. Der lavendelsüße Rauch, der durch den Raum trieb, schien ebenfalls seinen Teil dazu beizutragen. Er erzählte Sessanta gerade eine unglaublich witzige Geschichte, in der ein telekinetisch begabtes Wesen und ein Kochtopf vorkamen, als zwei breite Silhouetten das Licht der ohnehin trüben Lampe verdeckten.

Die beiden Neuankömmlinge rissen Sessanta an den Armen hoch und brüllten in der Sprache des Planeten auf ihn ein. Die Worte klangen nicht nach fröhlichem Geplänkel. Die Situation wirkte eher bedrohlich. Rhodans neuer Bekannter argumentierte mit wild fuchtelnden Armen. Die Parteien standen sich mit gefletschten Zähnen gegenüber.

Einer der beiden sah mit zusammengekniffenen Augen zu Rhodan herüber. Er stieß tiefes Knurren aus. Sessanta fauchte und die Diskussion entflammte erneut. Schließlich breitete er die Arme aus und kehrte zum Tisch zurück.

»Was war los?«, fragte Rhodan.

»Eine kleine Auseinandersetzung unter Freunden. Nichts weiter.«

»Und was hatte ich damit zu tun?«

»Gar nichts. Manche wollen keine Fremden hier drin sehen. Und ich habe ihnen gesagt, dass das gar nicht geht.«

Rhodan schob ihm einen Krug zu. »Ich beherrsche eure Sprache zwar nicht, aber ich habe genügend Erfahrung mit fremden Völkern, um Gebärden zu lesen. Das war eine handfeste Auseinandersetzung. Was ist los?«

Der Neodymer hob den Krug zum Löwenmaul und leerte ihn in einem Zug. Dabei ließ er den Terraner nicht aus seinen funkelnden Augen. Er schien mit sich zu ringen. Ein weiterer Krug, den Rhodan von einem vorbeifliegenden Tablett angelte, brach schließlich den Damm.

»Ich habe kürzlich Aleabock-Mist fabriziert.«

»So etwas dachte ich mir bereits.« Rhodan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

»Ich hatte einen Krug zu viel und mit meinen Fähigkeiten beim Duell geprahlt. Man hat mich gereizt und herausgefordert. Und zu meinem Leidwesen habe ich zugesagt. Das ist jetzt Wochen her, aber man hat es nicht vergessen.«

»Und die Ehre zwingt dich, an dem Duell teilzunehmen.«

»In der Tat. Das Duell hat hohes Ansehen, eine höchstnoble Angelegenheit. Ein Rückzieher würde mich zum Gespött der Leute machen. Aber auch wenn ich mich duelliere, wird das Ergebnis das gleiche sein.«

»Soll das Duell hier stattfinden?«

Sessanta deutete hinter Rhodan. »Dort fahren sie gerade die Bühne nach oben.« Und tatsächlich schob sich soeben ein Podest aus dem Boden und mehrere Löwengestalten waren damit beschäftigt, einen Käfig rundherum aufzustellen. Violetter Dunst waberte durch den Raum.

»Ich muss dir etwas sagen, Rhodan. Man hat mir angeboten, einen Stellvertreter zu benennen. Ich habe den Vorschlag angenommen.« Er senkte den Kopf.

Der Terraner atmete tief aus. Das passte einfach zu dieser seltsamen Reise. Grundsätzlich hatte er keine Lust, sich zu prügeln. Aber alles fühlte sich dermaßen absurd an, dass er nun selbst das in Betracht zog. Ein kleiner Ringkampf konnte schließlich nicht schaden. Sein Leben bestand aus Politik, Sitzungen und Verhandlungen. Die Gelegenheiten zu erschöpfender körperlicher Betätigung waren selten.

Was seine Freunde wohl davon halten würden? Sichu würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Atlan hingegen wäre ganz sicher stolz auf ihn.

»Ich bin dabei!«, teilte er dem Neodymer mit.

Dieser sah ihn verblüfft an. »Du bist dir sicher?«

»Selbstverständlich.«

»Es sind sechzig Runden und es ist anstrengend.«

Rhodan zögerte nur kurz. Die Herausforderung würde ihn an seine Grenzen bringen. Aber dann hatte sich der Aufenthalt auf dieser Welt wenigstens für die persönliche Weiterentwicklung gelohnt. Tatsächlich verspürte er Vorfreude auf die kommende Auseinandersetzung.

*

Zwei bullige Neodymer führten ihn zwischen sich zur Bühne. Die Menge brüllte und knurrte. Krüge flogen durch die Luft. Sessanta thronte auf einem Gestell, das an einen Hochstuhl erinnerte. Es war der Platz eines Duellanten, der einen Stellvertreter schickte. Er wirkte gleichzeitig gebannt und besorgt. Rhodan winkte ihm beruhigend zu. Er vertraute auf seine Dagor-Fertigkeiten und seine Gabe, sich schnell auf die Gegebenheiten einstellen zu können. Im schlimmsten Fall erlitt er eine Niederlage, die ihn aber weniger schmerzen würde als seinen neuen Freund. Es ging um die Ehre, nicht um den Tod. Um alles andere konnten sich seine vom Zellaktivator unterstützten Selbstheilungskräfte kümmern.

Seine beiden Begleiter stießen ihn in den Käfig, in dem ihn der Ansager erwartet.

»Seht, den Terraner!« Er dehnte die Vokale endlos lang. »Er tritt an für den großmäuligen Sessanta, der sein Geschick und seine Ehre in die Hände dieses Fremdlings legt.«

Die Menge knurrte unisono.

»Und hier kommen die Herausforderer!«

Drei Neodymer traten von der anderen Seite an die Bühne heran und schwangen sich hinauf. Mit ausgebreiteten Armen badeten sie im Jubel der Zuschauer. Offensichtlich waren sie bekannt und das Publikum liebte sie. Sogar Sessanta stimmte in das Brüllen mit ein.

»Wisse, wer deine Gegner sind, Terraner«, dröhnte die Stimme des Ansagers aus den Lautsprechern. »Vor dir stehen die grandiosen Patprz, Tobhei und Frajoss!«

Letzterer hatte sich die Mähne komplett abgeschoren und hielt zwei Holzstöcke in der Hand. Seine Waffen? Das würde bedeuten, dass er sich mit ihm im Nahkampf würde messen müssen. Rhodan musterte die anderen beiden. Offenbarten sie ebenfalls Vorlieben?

Tobhei war einen Kopf kleiner als er selbst, Patprz hatte tätowierte Arme und machte einen wilden Eindruck.

Rhodan folgte ihnen auf die Bühne.

»Wählt nun die Instrumente!«, schrie der Ansager. Die Menge drängte sich an den Käfig.

Mit kreisenden Armen und Dehnbewegungen für den Rücken trat Rhodan an einen großen Tisch heran. Seine Kontrahenten griffen bereits nach den … Waffen?

Er starrte konsterniert auf das Sammelsurium an Gerätschaften, das sich vor ihm ausbreitete. Das waren keine Kampfgeräte. Er sah rasch zu seinen Gegenspielern hinüber. Der kahle Frajoss klopfte mit den Holzstücken auf einem mit einer Membran bespannten Hohlzylinder herum. Der kleine Tobhei und Patprz zupften an Schnüren, die sich über hohle Klangkörper spannten, und produzierten damit Klänge.

Der ehemalige Großadministrator begriff, dass er die Situation völlig falsch eingeschätzt hatte. Ihm stand hier in ein Sängerwettstreit bevor!

Hatte er eben noch gedacht, die Herausforderung würde ihn an seine Grenzen bringen? Weit gefehlt. Sie würde ihn weit darüber hinaustragen. Sicherlich, im Laufe der Jahrhunderte hatte er zigmal auf einer Bühne gestanden. Vor Publikum zu sprechen war sein Beruf. Es gab kaum eine Situation, die er nicht schon einmal erlebt hatte. Aber wann hatte er zuletzt gesungen? Gelegentlich unter der Dusche, bis Sichu ihn bat, damit aufzuhören. Oder die Hymne eines Sternenstaates, dann nur sehr diskret und weil es das Protokoll verlangte. OLD MAN fiel ihm ein und die Witze, die Gucky immer noch darüber riss.

Er straffte sich und griff ebenfalls nach einem Saiteninstrument.

»Sechzig Runden sind zu intonieren. Sechzig Strophen eines Opus, der auf dieser Welt noch niemals vorgetragen wurde«, erläuterte der Neodymer am Mikrofon.

»Schiedsgericht ist das Publikum, das jeder Strophe seine Wertung gibt. Es ist Sitte, dass die Herausforderer beginnen.«

Rhodan war das nur recht. So konnte er sich wenigstens ein wenig auf die Gepflogenheiten einstellen. Die drei betätigten ihre Instrumente. Offensichtlich waren sie geübt. Aufmerksam hörte und sah er zu. Wie erzeugten sie die Töne? Gab es einen Rhythmus? Wovon sangen sie? Mit einiger Erleichterung stellte er fest, dass es sich lediglich um eine Art melodischen Sprechgesang handelte. Die Verse hatten eine Struktur, die an Hexameter erinnerte, und erzählten von Heldentaten der drei Gesangskünstler. Er runzelte die Stirn. Derartiges hatte er schon vielfach vorgetragen bekommen. Innerlich leistete er einem gewissen Mausbiber Abbitte. Niemals hätte er gedacht, dass Guckys galaktische Epen, die dieser in den Jahrtausenden viele Dutzend Male zum Besten gegeben hatte, ihm einmal aus dem Sumpf helfen könnten.

Seine Gegner beendeten die erste Strophe. Das Publikum grölte. Trinkgefäße knallten gegen den Käfig und die vorderste Reihe rüttelte an den Eisenstangen. Die Musiker nahmen den ohrenbetäubenden Beifall mit breitem Grinsen entgegen. Doch er hatte nicht vor, ihnen zu viel Bühne zu überlassen. Er schritt nach vorne und stellte sich am Rand des Podests auf. Das Getöse schwoll kurz ab. Offenbar hatte er die Neodymer überrascht. Gut! Nun würden sie vielleicht etwas aufmerksamer lauschen. Er sah zu Sessanta, der grüßend die Arme in die Luft warf. Dann zupfte er die Saiten, lauschte dem Klang hinterher und presste die dünne Schnur an einer anderen Stelle auf den Klangkörper. Ein höherer Ton drang hervor. Den dritten Ton fand er ebenfalls. Und dann stimmte er das »Epos über die Eroberung des Universums an« und er war dem Kleinen dankbar für dessen relativ monotone Vortragsweise, die sich ihm offensichtlich eingeprägt hatte.

Kaum hatte er begonnen, schrien die Neodymer wieder los. Durch schrilles Heulen zeigten sie deutlich ihre Ablehnung. Doch er ließ sich nicht beeindrucken. Er deklamierte weiter die Ouvertüre, die die Hauptpersonen vorstellte. Vertreter eines Volkes, das sich in einem unbedeutenden Seitenarm der Milchstraße anschickte, den eigenen Planeten zu verlassen.

Dann setzte er ab.

Der Ansager griff wieder zum Mikrofon und bat um Stimmabgabe durch Gebrüll. Natürlich gewannen die Lokalmatadore diese erste Runde. Und auch die zweite und dritte. In der vierten Runde war der Unterschied schon nicht mehr so groß. Es schien dem Publikum zu imponieren, wie die Helden des Epos einer galaktischen Großmacht trotzten. Dann spürten sie Spuren vergangener Sternenreiche auf, stießen in ein fremdes Universum vor und sprangen schließlich über den schwarzen Abgrund auf die nächste Sterneninsel.

Und plötzlich lag er gleichauf.

Er erzählte von kosmischen Hintergründen, legendären Raumschiffen und unzähligen Invasionen. Die epischen Abenteuer dieses Volkes, das sich durch all den Unbill nicht von seiner Eroberung des Kosmos abhalten lies, zog die Zuhörer sichtlich in seinen Bann. Zwischen den ohrenbetäubenden Abstimmungen war es oft geradezu still, soweit das bei den Löwenartigen möglich war.

Rhodans – oder besser Sessantas – Herausforderer zogen noch einmal alle Register. Doch besonders die Episoden über ein Wesen mit breitem Schwanz und spitzem Nagezahn gefielen dem Publikum und brachten ihn immer wieder in Front.

Schließlich lag er uneinholbar vorne. Seine Gegner spielten ihre Stücke lustlos herunter, er jedoch erklomm neue Höhen der Deklamationskunst. Er versuchte gar, die Dialoge mit verstellten Stimmen zu sprechen. Ich muss das Sichu unbedingt vortragen, dachte er euphorisch. Sie wird begeistert sein.

Die letzten drei Strophen wich er vom doch recht monotonen Sprechgesang ab und wob Melodien dazwischen. Das wertet das Werk tatsächlich auf. Gucky sollte das wissen.

Dann war das Duell zu Ende und der Ansager kam auf ihn zu, um ihn zum Sieger zu küren. Die Menge tobte und rief nach Zugabe. Bescheiden winkte er ab und reckte beide Arme zu Sessanta hinüber, den er nur vertreten hatte. Doch die Leute wollten ihn! Sie rüttelten an den Gittern und stampften mit den Füßen auf den Boden.

»Und es gewinnt … der Terraner!«, schrie der Ansager vokaldehnend in sein Mikrofon.

Es krachte. Ein Gitterelement hatte sich aus dem Verbund gelöst. Neodymer stürzten übereinander vor das Podium. Und sie jubelten dabei. Der komplette Käfig geriet ins Wanken. Die Leute zerlegten ihn regelrecht und drängten sich an das Podest heran.

Rhodan wurde flau in der Magengegend, als er die Menge heranschwappen sah. Seine Euphorie war mit einem Mal verschwunden. Einige brachen unter dem Druck der Nachdrängenden in die Knie. Und trotzdem brüllten sie immer noch mit vor Freude glänzenden Augen. Er sah Sessanta wie er über seine Artgenossen hinwegkletterte und auf das Podest sprang. Mit weiten Schritten stürmte er auf Rhodan zu und wirbelte ihn herum.

»Du hast meine Ehre gerettet, Freund! Ich erfülle dir jeden Wunsch!«

»Zunächst würde ich gerne hier lebend rauskommen.«

Er glaubte, ein erschrockenes Blitzen in Sessantas Augen zu sehen, als dieser sich umsah. Um sie herum erhob sich ein Wall aus Körpern, der sich über den Rand des Podestes schob und langsam näher rückte.

Sessanta zog eine Rauchdose hervor und inhalierte tief. Lavendelduft. Er hob die Arme und wollte seine Artgenossen zurückdrängen. Doch sie hörten nicht auf ihn und drängten zu Rhodan.

Der süßliche Rauch zog in die Nase des Terraners. Er stach in seiner Kehle und trieb ihm Tränen in die Augen. Er fühlte sich unwohl, wie er da so im Fokus der Aufmerksamkeit stand. Er hob die Hände, um die Menge zu beruhigen, doch die Neodymer reagierten nicht darauf. Immer enger drückten sich die Körper um ihn und Sessanta. Obwohl er nicht klaustrophobisch war, machte ihm dieses Gedränge langsam, aber sicher Angst.

»Freunde!«, rief er. »Freunde, lasst uns ein wenig Platz. Ich bin für alle da. Aber dafür müsst ihr …« Ein Stoß trieb ihm die Luft aus den Lungen. Irgendwo geriet jemand ins Straucheln. Körper wogten wie eine haarige Welle unter lautem Raunen auf ihn zu. Sie zwängten ihn zwischen sich ein und drückten Sessanta von ihm weg. Sekunden später brandete die Welle wieder zurück. Für wenige Augenblicke wurde ihm die Sicht genommen. Er spürte, wie sich Panik in ihm breitmachte. Beinahe wurde er zu Boden gedrückt. Die Vorstellung, von den schweren Körpern ringsum begraben zu werden, trieb ihm einen leisen Aufschrei über die Lippen.

Dutzenden Löwenpranken reckten sich ihm entgegen. Jeder schien ihn unbedingt berühren zu wollen. Ein Neodymer ließ sich über die Köpfe seiner Artgenossen hinweg zu ihm tragen. Ein Zweiter folgte. Sie hingen an ausgestreckten Armen über ihm und sperrten das Licht der Deckenstrahler vollends aus.

Es wurde dunkel. Es war eng. Es war warm. Und so sehr sich der Terraner auch wehrte, er kam gegen den Druck der schwitzenden Leiber nicht an. Er war eingeschlossen. Farbige Flecken flimmerten vor seinen Augen. Wurde etwa der Sauerstoff knapp? Noch einmal spannte er alle Muskeln an, um sich aus diesem lebenden Gefängnis zu befreien. Dann schwanden ihm die Sinne.

*

»Perry! Perry! Herrgottnochmal, Perry!«

Schmerz explodierte auf seinen Wangen. Mühsam öffnete er die Augen. Ein Duft von Lavendel hing in seiner Nase und verursachte Brechreiz. Über ihm schwebte ein altbekanntes Gesicht mit charakteristischem rotem Bürstenhaarschnitt.

Ob er sich irgendwann mal eine andere Frisur zulegt, dachte Rhodan.

Kräftige Fäuste rissen ihn vom Boden hoch. Wieso hatte er dort gelegen?

»Na, da ist er ja wieder, der Gute!«, freute sich Reginald Bull. »Für ein Schläfchen hättest du dich doch in die Luxuskoje dort unten werfen können.«

Verwundert sah sich Rhodan um. Er befand sich in der Space-Jet des Diplomatischen Korps, die er eigentlich auf dem Planeten Neodym verlassen hatte.

»Wie habt ihr mich dort rausgeholt? Wie lange war ich bewusstlos?«

Bull sah ihn erst verständnislos, dann misstrauisch an. Mit wedelnden Handbewegungen schickte er den Raumsoldaten und den Mediker in seiner Begleitung hinunter in Richtung Schleuse. Er packte Rhodan an den Schultern.

»Was ist mit dir los? Du wirkst nicht ganz bei dir.«

Rhodan streifte die Hände des Freundes ab und streckte sich. Kurz und knapp erzählte er von seinen Erlebnissen im LX-System. Bull quittierte beinahe jeden Satz mit Kopfschütteln.

»Sei mir nicht böse, alter Junge. Aber du hast die Jet keine Minute verlassen. Soweit wir wissen, hat die Positronik automatisch Notrufe abgesetzt, nachdem der Diagnoselauf durch war. Wären wir nicht schon auf der Suche gewesen, würdest du immer noch von Planetenbewohnern träumen, die wie eine seltene Erde heißen.«

Seltene Erde?

»Du warst überfällig«, fuhr Bull fort. »Also sind wir losgeflogen. Den Kurs kannten wir ja. Schließlich habe ich dir den Tipp gegeben.« Er grinste.

Rhodan hingegen war nicht zum Lachen zumute. Er musste tatsächlich halluziniert haben. Aber wieso? Der Lavendelduft verflog. Sein Blick glitt hinüber zu den Glassplittern, die immer noch auf dem Boden lagen. Er griff nach den Überresten der Phiole, denen der süße Geruch anhaftete. Verblüfft beobachtete er, wie sie sich in seiner Handfläche auflösten.

»Und überhaupt, Perry: Ein LX-System gibt es nicht«, rief Bull hinter ihm. »Als ob man plötzlich Sonnensysteme römisch durchnummerieren würde.« Der Gedanke schien ihm Spaß zu machen.

Rhodan hörte ihm kaum zu. Dieses Abenteuer fühlte sich nicht an wie ein einfacher Traum. Er stützte beide Arme auf der Platte des Besprechungstisches ab. Der in die Oberfläche eingelassene Bildschirm flammte auf. Ein Text erschien in grünen, kantigen Buchstaben auf schwarzem Untergrund.

MANCHMAL BRAUCHT ES EIN SPIEL, UM DAS LEBEN WIEDER ZU ERDEN: HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH, ALTER FREUND. 60.«

Noch bevor Rhodan Bull herüberrufen konnte, verschwand der Schriftzug. Er hielt inne. Vernahm er in der Ferne ein leises Lachen? Oder war auch das nur eine Einbildung?

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