Logo 60 Jahre PERRY RHODAN Tribut – Beitragsbild

»Dem Rhodan werd ich’s zeigen!« von Alexandra Trinley

»Handlung wird allgemein besser verstanden als Worte.«
Charlie Chaplin

 

Die Lichter des Dimensionswandlers blinkten. Elmsfeuer tanzten zwischen den Modulen der Antennen, und die Fühler der Kristallaufsätze zum Aufbau der Dimensionsblase wischten über den fahlblauen Stahl der Kapsel, die auf der nur leicht hochgefahrenen Hebebühne ruhte.

Robbie Tryjian pfiff »We are the champions«, als er die Maschine betrat, im Pilotensitz Platz nahm und den Zähler auf 60 stellte. Das präastronautische Lied passte zum Gerät. Es war ein mechanischer Zähler, der garantiert funktionierte. Da ging er auf Nummer Sicher. Es war kein Verlass auf anfällige Holoanzeigen, auf einen sich irrwitzig schnell entladenden Gravitraf, auf eine im Hyperraum angesiedelte Syntronik. Seine Wahl war eine solide Positronik aus einer Moskito-Jet vom Raumschifffriedhof, die als Backup fungieren würde, und ein verlässlicher, auf einen Fusionsreaktor zurückgreifender Kalup-Konverter siganesischer Fertigung.

30 Minuten nach Beginn des Experiments würde Mary die Raketen starten, 30 Minuten später würde er zurück sein, und dann würde Robbie es ihnen allen zeigen.

Das Wissen, wie Pyrotechnik funktionierte, hatte Robbie sich aus Archiven geholt. Er las jetzt viel in Archiven – jetzt, wo er sonst nichts zu tun hatte. Was bot schon die Zukunft? Im vergangenen Jahr hatte sich der vierdimensionale Einsteinraum in bedrückender Weise um seine Bewohner geschlossen. Überlichtschnelles Reisen, schnelle Kommunikation quer durch die Galaxis, das wurde im Jahr 1331 NGZ immer mehr zum Stoff, aus dem die Träume sind. Seine Träume.

Robbie identifizierte sich mit den Aufrisstrichtern der Tryortanschlünde. Diese entfesselten Naturgewalten, die Raum und Zeit zerfetzten, drückten genau jene innere Rebellion aus, die man einfach empfinden musste angesichts der Enge, die sich um ihn zuzog. Das Stöbern in den Archiven tat ihm gut. So viele Geräte, die unabhängig machten, weil er sie mit den Händen und einfachem Werkzeug reparieren konnte.

Unerwartete Hilfe hatte er in einem Kolonisten gefunden, der sich in Atlan Village als Straßenkünstler durchschlug. Lebewesen aus der ganzen Milchstraße umstanden ihn, wenn er mit Schraubendreher und Kombizange altertümliche Geräte auseinandernahm, dann wieder zusammenbaute und erfolgreich einschaltete, während er mit lauter Stimme Geschichten aus der legendären Kolonie von Gray Beast erzählte.

Robbie Tryjian hatte den Straßenkünstler in eine Kneipe geschleppt und mit Vurguzz abgefüllt. So erfuhr er, dass der Mann Yannis hieß und von einer Kolonialwelt stammte, auf der tatsächlich auf jede moderne Technik verzichtet wurde. Wenige Handelsschiffe hielten Kontakt, und eins hatte ihn mitgenommen. Wegen der neuerdings tobenden Hyperstürme kam er nun nicht mehr nach Hause. Aber, wie er mit schwerer Zunge versicherte, war er ziemlich zufrieden in Terrania.

Robbie hatte sich mit ihm angefreundet, sein Interesse als Hobby ausgegeben und dabei so intensiv gelernt, wie es nur ein hyperphysikalisches Genie vermochte. Denn Robbie hatte Pläne, von denen Yannis nichts ahnte und auch nichts ahnen sollte, damit er sich nicht etwa wichtig fühlte. Robbie Tryjian würde es allen zeigen. Rhodan würde er es zeigen und den anderen auch. Angeblich waren Superintelligenzen oder gar Kosmokraten an der Hyperimpedanz-Erhöhung schuld. Ha! Denen würde er es auch zeigen. Denn die wahre geniale Superintelligenz war er. Ein verkanntes Genie.

Am 1. Dezember 1331 NGZ war die Waringer-Akademie eingeweiht worden, deren ausdrückliche Zielsetzung Technologie ohne jene höherdimensionale Komponenten war, welche die Hyperimpedanz-Erhöhung schwächte. Robbie hatte sich beworben, war aber mit wohlklingenden Phrasen abgespeist worden. Interessanter Lebenslauf, grundsätzlich natürlich Interesse, doch leider, leider kann die Bewerbung dieses Mal nicht berücksichtigt werden …

Robbie schnaubte. Da war einer neidisch gewesen und hatte ihn kaltgestellt, er war ausgelinkt und dann übersehen worden. Doch sobald der Dimensionswandler gezeigt hatte, wie fähig er war, würde niemand ihn mehr übersehen. Seit der Absage hatte er gearbeitet wie ein Verrückter, und nun war er fertig. Wenn der Dimensionswandler Erfolg hatte, würde ihm der Rainbow Dome, jenes spektakuläre Akademiegebäude in der Form eines aufspritzenden Regentropfens, offenstehen. Dann brauchte er nicht mehr über Qualifikationen reden. Dann würden Taten sprechen!

Mary winkte. »Alles Gute, Schatz«, rief sie. »Ich mache die Raketen bereit!«

»Auf unseren Erfolg«, erwiderte Robbie. Er winkte zurück, dann schaltete er die Verbindung nach außen ab. Der altmodische Bildschirm zeigte, dass Mary den Raum verließ. Bald würde sie wissen, wie ein Gewinner aussah! Wobei er sich eine bessere Freundin holen würde, sobald er Erfolg hatte. Sie war doch ein bisschen durchschnittlich und pummelig. Sie konnte auch ohne Roboter kochen, das sparte eine Anschaffung, und sie bewunderte seine Theorien ebenso wie sein Hantieren mit alter Technologie, das hob seine Laune. Mary hatte eine gute Zeit mit ihm gehabt. Die hatte sie auch verdient.

Ah, Mary hatte den Kontakt betätigt! Die Deckenkonstruktion der Werkstatt begann, sich zu öffnen. Im entstehenden Spalt wurde immer mehr vom Sternenhimmel sichtbar, einem spektakulären Sternenhimmel, der Atlan Village überspannte wie ein gleißendes Tuch. Die Wetterkontrolle von Terrania City hatte wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Die roten und blauen Raketen würden auffallen, und wer hinschaute, konnte das Experiment gleich in Echtzeit verfolgen. Später würden die Wände sich vollständig einfalten, um eine gute Sicht zu garantieren.

Dann fuhr Robbie die Maschinen hoch. Prüfend blickte er neben sich. Ein irisierendes Feld umgab den Würfel aus Howalgoniumkristall, der seit Beginn der Hyperimpedanz-Erhöhung immer geringere Reaktionen gezeigt hatte. In der veränderten Konstante der angewählten Dimensionsverknüpfung würde das Howalgonium seine alten Eigenschaften dauerhaft zurückgewinnen, er würde damit zurückkehren und dann – pow! Sensation! Erfolg! Waringer-Akademie! Zum 1. Dezember 1332 NGZ würden sie ihn mit rotem Teppich empfangen.

Die Neider galt es auszuschalten, deshalb das Tamtam. Heutzutage reichte ehrliche Arbeit ja nicht mehr aus, um richtig beurteilt zu werden. Das war früher besser gewesen, aber er wusste Rat: In den Minuten 30, 32, 34 und 38 nach seinem Verschwinden würden die Feuerwerksraketen starten, die pyrotechnisch seine Worte in den Himmel schrieben. Erste Ladung: »Perry Rhodan!« Zweite Ladung: »Malcom S. Daellian!« Dritte Ladung: »Robbie Tryjian!« Vierte Ladung: »Welcome Waringer-Akademie!« Alles in starken Farben.

So was kannte Terrania nicht. Alle würden herkommen, auch die Presse, die seine Rückkehr live übertragen konnte … und dann würde er, Robbie Tryjian, aus der rematerialisierten Maschine steigen und seinen Erfolg präsentieren. Vorsichtshalber hatte er den Sendern im Vorfeld geschrieben, Mary instruiert und auch Rhodan und Daellian eine Einladung geschickt. Nur der Ort war noch geheim, zur Sicherheit. Ach ja, Mary hatte eine fünfte Rakete mit ihrem Namen präpariert. Sollte sie nur, die Kleine, sollte sie nur.

Ein Knopfdruck setzte die Maschinen in Gang. Der Dimensionswandler erhob sich einige Meter. Robbie genoss den Tagtraum, in dem Perry Rhodan persönlich ihn als Wunder bestaunte, als jenen Wissenschaftler, der die fünfte und elfte Dimension zu einer funktionierenden Einheit umgeformt hatte, die der Hyperimpedanz-Erhöhung widerstand, bis er die verlockenden Bilder energisch aus seinem Bewusstsein verbannte. Jetzt ging es endlich los! Jetzt kam die Energie … hui, da kam sie!

*

Sekunden später griff Robbie blindlings nach den Schaltern und Hebeln, die er als Redundanzsysteme eingebaut hatte. Die Holoanzeigen waren in graue Funken zerstoben. Das Rütteln und Schütteln, das unmittelbar nach der Aktivierung des Wandelaggregats eingesetzt hatte, vertiefte sich zu Klängen und Schatten – konnte man das sagen? Was er sah und hörte wirkte wie Echos und Bilder der Gegenstände, die zusätzlich zu ihrer physischen Präsenz aufschienen und ihn umtanzten.

Ein Heulen setzte ein, dann Gelächter. Lachte er etwa selbst? Aber nicht doch, Robbies Kehle war zugeschnürt, und das freudlose Lachen wackelte mit jedem Atom, jedem Molekül hin und her! Dann setzte ein Schmerz ein, der sich zwischen Haut, Fleisch und Knochen schob und ihn aus dem Raum weniger Nanometer in sternenweite Abgründe stieß.

*

Waren Minuten oder Tage vergangen? Die Anzeige der Zählwerks tanzte vor Robbies Augen. Es dauerte, bis er die Zahl verstand. 47! Also hatte er 47 Minuten Zeit, um … entsetzt ließ er die Hände sinken. Die Hälfte der eingebauten Vorrichtungen war nur noch ein Haufen ineinander verschlungener Metallkringel, die zu Boden hingen.

Noch dazu glomm im Howalgoniumwürfel ein fahlroter Funke, der nicht dem geplanten Ablauf des Experiments entsprach. Das konnte nicht wahr sein! War er bewusstlos, träumte er? Eine Abweichung von seinen Berechnungen war so unrealistisch, dass er sie nicht in Betracht ziehen musste. Nerven behalten, Rob! Was war nun also zu tun?

Gerade als er sich entschlossen hatte, den intakten Teil des Wandlers mit dem mitgeführten Hilfsaggregat zu verbinden, klopfte es. Robbie erstarrte, dann machte er weiter. Es klopfte wieder. Deutlich und laut. Robbie stellte die Verbindung zwischen den Geräten her, las das Hochfahren der Routinen mit und stand auf. Es würde ein paar Minuten dauern, bis die Geräte sich verbunden hatten, da konnte er auch – er stockte, als ihm bewusst wurde, was er zu tun im Begriff war.

Da konnte er auch irgendwo zwischen der fünften und der elften Dimension die Tür öffnen.

*

Trockene Hitze schlug ihm entgegen. War so eine Hyperraumblase, die mit elfdimensionalen Gesetzmäßigkeiten verknüpft war? Heiß? Trocken? Das war einfach nur grotesk. Unerwartet. Wie in einem billigen Trivid! Befremdet steckte Robbie den Kopf aus dem Schott. Er staunte, als er die sandige Höhle erblickte, in der Pulte und bizarre Gerätschaften standen.

Auch ein Lebewesen war da! Es hatte sich über eine der Apparaturen gebückt und richtete sich jetzt auf, mit einem Gesichtsausdruck, den er bei aller Verschiedenheit als vollständige Verblüffung erkannte.

»Hallo«, sagt Robbie.

Sein Gegenüber antwortete mit einem eigentümlich jammernden, hohlen Zirpen.

»Hey«, sagte Robbie. Sollte er aussteigen, oder würde sein Anblick das fremde Wesen verschrecken? Ach was, entschied er, ein Luxuskörper wie seiner erschreckte keinen. Wohlwollend dachte er an Mary. Wie sie ihn einmal nach einem zweistündigen Privatvortrag in ihrer Küche einfach geküsst hatte … Er trat ins Freie.

Nun wurde er tatsächlich wie ein Wunder bestaunt, aber nicht von Rhodan und Reportern, sondern von diesem … er glaubte aus den Geräuschen des fremden Wesens ein »Paddin« herauszuhören. Also war das wohl ein Paddin.

»Hey, du bist also ein Paddin«, sagte Robbie. »Hallo Paddin!«

Als Antwort kam wieder »Paddin«. Gut, sie verstanden sich! Die hervorquellenden, wässrigen Augen des fremden Wesens musterten den Dimensionswandler. Sie waren rund und halb so groß wie der Kopf. Dann richtete sich eins der langen Ohren auf, die Büschel an seiner Spitze wedelten den Kristallaufsätzen an der Hülle direkt neben dem Schott zu. Der handspannenlange Rüssel folgte der Bewegung, dann einer der vier Arme, dessen Finger sich wie feines Astwerk verzweigten.

»Wow, musst du Feinmechanik können«, sagte Robbie anerkennend. Er deutete auf die bizarren Gerätschaften der Höhle. »Hast du die gebaut?«

Das Paddin zirpte. Es deutete auf das Schott.

»Willst du rein? Na gut, okay«, sagte Robbie. Sicher war er der erste Besucher seit langem. Dieser Ort musste einsam und langweilig sein. Er trat beiseite, damit das fremde Wesen auf seinen fünf Beinen, die in je einem festen Zeh endeten, an ihm vorbeistaksen konnte. Robbie sah ihm nach. Die Rückenwirbel ragten auf. Sie liefen in einem Stützschwanz aus, der nun, als der Fremde das Innere des Dimensionswandlers bestaunte, als Einziges noch aus dem Schott lugte.

»Gefällt’s dir?«, fragte Robbie.

Wie zur Antwort verschwand der Schwanz im Innern des Dimensionswandlers. Einige Minuten später kam das Paddin wieder heraus. Es eilte zu seinen eigenen Maschinen, öffnete eins der Pulte und zog – tatsächlich –, es zog einen Hyperkristall hervor. Er war riesig und strahlend, anders als die fahle Funzel, die Robbie besaß. Die Astfinger bewegten sich, als wehe ein sachter Wind. Robbie verstand, dass er ihm ins Innere des Dimensionswandlers folgen sollte.

In der Enge der Kabine bemerkte er Zimtgeruch, das kam wohl von seinem Besucher. Das Zählwerk stand auf 32. An die ablaufende Zeit hatte Robbie Tryjian gar nicht mehr gedacht … Die Routinen waren fertig, zur Rückkehr reichte jener deutlich geringere Energieaufwand, den die Fusionsreaktoren erzeugen konnten – alles in Ordnung also, bis auf den kleinen Schönheitsfehler mit dem Kristall. Wenn in 32, nein, 31 Minuten das Experiment zuende war, sollte er einen funktionierenden Hyperkristall haben. Schließlich sollte die Waringer-Akademie ihn einstellen. Eine knifflige Situation!

Aufmerksam beobachtete er das Paddin. Hoffentlich machte es alles richtig. Schließlich ging es um Robbies Karriere! Die Astfinger tanzten über die Kristalle und einen Teil der Apparaturen, an die er eigene kleine Geräte anschloss. Als das Zählwerk auf 21 schnappte, richtete das fremde Wesen sich auf. Es wirkte zufrieden.

»Bekomme ich deinen Kristall oder reparierst du meinen?«, fragte Robbie.

Das Paddin zirpte. Der jammerige Unterton passte nicht so recht zum Hochgefühl, dass Robbie empfand, aber wenn das Wesen ihm aus der Patsche geholfen hatte, dann sollte es ruhig zirpen. Es konnte wohl keine schöneren Laute machen. Aber es hatte ihm geholfen! Noch 19 Minuten …

Das Paddin deutete auf ihn, betastete sein Gesicht, seine Ohren, dann fingerte das fremde Wesen seinen Arm herunter, bis er das Chronometer erreichte. Hier blieben die Astfinger liegen.

»Ach, du willst meine Uhr! Ei klar, die hast du dir verdient!«, sagte Robbie. »Die war zwar, nun ja, teuer, aber du hast sie dir verdient.« Er nahm das Gerät ab. Doch das Paddin hielt weiterhin sein Handgelenk umklammert. Dann spreizte es die Astfinger – es waren elf an jeder Hand, bemerkte Robbie – und begann, zwischen ihnen beiden hin- und herzudeuten.

»Du meinst, ob wir Freunde bleiben? Klar bleiben wir Freunde, mein Guter. Jeder in seiner Dimension. Und manchmal kannst du mir assistieren.«

Das Zirpen wurde eindringlich. Es endete in jenem »Paddin«, das Robbie nun schon kannte. Das fremde Wesen deutete auf die Kontrollen.

»Ja, mein Guter«, versicherte der Terraner. »Wir bleiben echt Freunde, auch wenn ich jetzt nur noch 14 Minuten habe und du dich bitte aus dem Dimensionswandler entfernst. Geh schon. Ja, Paddin. Alles gut. Paddin, Paddin. Raus mit dir!«

Was machte sein Besucher jetzt? Diese Schaltungen verstand Robbie nicht. Der fahlrote Funken im defekten Hyperkristall schwoll an, begann zu leuchten. Das fremde Wesen nahm ihn aus der Halterung, setzte den guten Kristall ein und rückte ihn zurecht. Die Astfinger um Robbies Handgelenk waren fest geschlossen, und mit der vierten Hand tippte der Fremde auf den mitgebrachten Geräten herum.

Robbie wurde schummerig vor Augen. Sein Magen verknotete sich, als hätte er Erdbeerkuchen mit Hering gegessen. Die wässrigen, riesengroßen Augen des Paddins bekamen einen seltsamen Schimmer, der alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Dann verschwamm sein Umriss.

Als Robbie sich wieder klar im Kopf fühlte, stand das Zählwerk auf 9. Er blickte auf – sich. Klar, das war er dort neben der Apparatur. Hellbraune, zu Rastalocken gedrehte Haare, die blasse Haut, der Bauchansatz – im Spiegel hatte der Bauch kleiner ausgesehen. Er sah sich von außen! Und er stand jetzt auf der anderen Seite der Kabine.

Der Griff seiner fleischigen, weißen Hand war ungeschickt, aber er bekam die abgelegte Uhr zu fassen. Die drückte er sich in die Hand – verwirrt schüttelte Robbie den Kopf. Welche Hand war jetzt seine? Er wollte sich die Augen reiben und erschrak vor dem Astbündel, an dem er sich fast gestochen hätte.

Das Zählwerk ruckte auf 8.

Er – das war doch er? – verließ die Kabine. Das Schott glitt zu. Benommen stand Robbie neben dem strahlenden Hyperkristall und versuchte zu verstehen, warum sein Körper eben gegangen war und er trotzdem noch im Dimensionswandler stand. Eisiger Schreck kroch in ihm hoch, drohte ihn zu lähmen. Das Zählwerk klickte auf 7.

Das Fiepen des Chronometers, dessen Weckfunktion er vorsichtshalber eingestellt hatte, riss ihn aus der Erstarrung. Der Rückholvorgang wurde eingeleitet. Alle Konturen verschwammen.

*

»Lass es ein Traum gewesen sein, bitte bitte.« Robbie griff nach den Kontrollen, blickte entsetzt auf elf Finger. Jemand musste ihn retten. Perry Rhodan! Die Genies der Waringer-Akademie! Mary! Irgendwer!

Der Bildschirm ging an. Er zeigte ein Gewirr von Kamerasonden und Reportern. So viele waren da! Mary wurde mit Fragen überschüttet und strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

Sie hätte sich ruhig ein neues T-Shirt anziehen sollen, dachte er automatisch. Dann fiel ihm seine eigene Situation wieder ein. Nur raus hier! Er öffnete das Schott.

Eisige Luft wehte ihm entgegen. Die Reporter wurden ruhig, als er auf sie zu trat, nur eine Frau schrie gellend auf, laut und voller Entsetzen. Kamerasonden suchten ihre optimale Position. Mary hatte sich umgewandt, das Gesicht starr vor Verblüffung. Und Perry Rhodan kam auf ihn zu.

Seltsamerweise wurde Robbie nicht übel. Hatte er überhaupt noch einen Magen? Beherzt trat er noch zwei Schritte vor, kämpfte um sein Gleichgewicht und richtete sich möglichst gerade auf.

Ein sargähnlicher Behälter glitt an die Seite des Unsterblichen. Nun wurde es Robbie richtig kalt. Das war jener Medotank in Form eines circa zwei Meter hohen angeschrägten Achteckprismas mit einer aufgesetzten Pyramide, in dem die Reste des Körpers von Malcolm S. Daellian lebten, des Leiters der Waringer-Akademie. Der Wissenschaftler hatte bei einer Reaktor-Explosion fast den ganzen Körper verloren, es waren nur sein Gehirn und einige Muskelfasern übrig geblieben. Ihm reichte das, um ein herausragendes Genie zu bleiben.

Ha, dachte Robbie mit plötzlichem Galgenhumor, jetzt sind wir jedenfalls in dieser Hinsicht fast Kollegen.

»Der Vertreter eines unbekannten Volkes«, sagte Rhodan. »Kein durchgedrehter Physiker.«

»Das erleichtert mich«, gab Daellian zurück. »Der Mann hatte sich bei uns beworben. Ausgezeichnete Testergebnisse, ein genialer Kopf, aber psychisch unbelastbar in einem Maße, das bleibende Beobachtung nahelegte – für die wir keine Zeit haben. Und ganz extreme Ideen über das Ausmaß der Umstellungen auf robuste Technologien, wirklich extrem. Die Psychologin, die seine Bewerbung bearbeitet hatte, war zufällig bei mir, als seine Nachricht eintraf. Sie wurde kreidebleich. Da entschloss ich mich herzukommen.«

»Rob Tryjian ist der Name?«, fragte Rhodan. »Ist er auch in der Maschine?«

Mary trat auf ihn zu. Sie war blass.

»Beim Experiment ging es um Hyperkristalle, nicht um fremdartige Wesen«, erklärte sie. Ihre Augen waren geweitet. »Er wollte stabile Hyperkristalle erschaffen, mit einer Verbindung der fünften und elften Dimension.«

»Interessant«, murmelte der Sarg. »Das ist wirklich interessant.«

»Ich habe ja auch zwei Semester Hyperphysik studiert«, sinnierte Mary, »ich war mir sicher, dass sein Experiment funktionieren würde. Aber dieses – dieses – Dings hat keinen Grund, hier zu sein. Und wo ist Robbie? Ich konnte an dem Wesen vorbei in die Kabine schauen, da ist niemand!«

Nun kamen ihr die Tränen. »Robbie ist genial. Er sagte immer wieder, er wolle es Rhodan schon zeigen, wie genial er ist, und hat so viel dafür getan – und jetzt das!«

Rhodan drückte ihr die Hand und trat auf den Dimensionswandler zu. Robbie holte den Hyperkristall und übergab ihn. Mit aufmerksamen Blicken reichte Rhodan ihn einer herbeieilenden Mitarbeiterin der Akademie weiter.

»Willkommen auf Terra!«, begrüßte er Robbie. Der sprudelte los:

»Perry Rhodan, es tut mir so leid. Entschuldigung, ich habe alles falsch gemacht, ich bitte um Hilfe, ich habe das versandet, ich sehe das ja ein. Ich habe nicht genug Tests gemacht, ich habe alles falsch gemacht, aber bitte, bitte, ich brauche Hilfe und ich werde alles wiedergutmachen. Und den Hyperkristall, den habe ich nur eingetauscht, ich geb’s zu.«

»Eine Raschelsprache«, bemerkte Daellian.

»Ich verstehe kein Wort«, gab Perry Rhodan zurück. »Wir brauchen einen Translator und sollten ihn in Ruhe befragen. Einverstanden?«

»Einverstanden, einverstanden«, stammelte Robbie. »Vielen Dank. Ich brauche Hilfe, ich bin einverstanden.«

Rhodan wandte sich an Daellian. »Er wiederholt so etwas wie ›Paddin‹. Ob das sein Name ist?«

»Unsere Wissenschaftler werden es herausfinden«, versicherte der Leiter der Waringer-Akademie. »Ich habe die Nachricht schon durchgegeben. In der Akademie steht alles für ihn bereit. Wir sehen uns dieses Wesen genau an. Oh, ich freue mich schon auf diesen Hyperkristall. Elfte Dimension, ja? Junge Frau, können wir Tryjians Unterlagen haben? Das wäre ganz wunderbar.«

Ein gewaltiger TARA-V-P schwebte heran. »Gehen wir«, schnarrte die Maschine.

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